Zerschmettere deine Ketten! Interview mit Florian Simon Eiler
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Zerschmettere deine Ketten! Interview mit Florian Simon Eiler

„Wer bin ich? Wo bin ich seelisch und mental verortet?“ – Der gebürtige Tegernseer Florian Simon Eiler rückt diesen Fragen in seinen Werken höchst impulsiv zu Leibe. Nicht nur durch die Wahl seiner teils gesellschaftskritischen Sujets, sondern auch die Wahl seiner expressiven Protagonisten aus dem Jetzt und der Vergangenheit. Denn: „Kunst kann die Welt nicht verbessern, das können nur wir Menschen! Aber ich kann mithilfe meiner Werke die Stimme erheben – mal drastisch laut, mal eher subtil leise – quasi wie die verbildlichte Traumvision einer Welt, in der Menschen den Mut haben, sich und ihren Lebensweg sowie ihr Agieren zu hinterfragen.“

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden? 

Letztendlich ist es die Leidenschaft, die mir immer wieder Signale sendet. Und ich habe gelernt, darauf zu hören. Wissen Sie, in meinem Leben habe ich schon viele Sachen gemacht. War als Schüler komplett auf den Leistungssport fixiert. Später dann die Selbstständigkeit als Personal Trainer und Buchautor. Oder meine sechs Jahre beim Fernsehen als TV-Journalist. Bei allem habe ich nie das gespürt, was ich bei der Kunst empfinde. Ich bin ja sozusagen ein Spätberufener. Ich habe zum Malen begonnen, wo andere sich schon längst in der Kunstszene etabliert haben. Bei meinem täglichen Meditieren spüre ich, dass meine Schöpfungsphantasien immer intensiver und drängender werden.

„Meine Kunst sprengt individuelle Grenzen, entflammt und weckt im Betrachter den ungezähmten Drang zur freien und vollen Entfaltung seiner Persönlichkeit.“


Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit? 

Tja, ich würde fast sagen, dass es plastische Gedankenimpulse sind. Ich will das mal so erklären: Momentan muss ich noch einem festen Job nachgehen. Das ist im Handwerk. Während des Arbeitstages kommen mir immer wieder Ideen. Zum Beispiel: Das muss ich auf meinem neuen Bild so und so umsetzen. Diese Farben müssen hinein, die auf keinen Fall, ich brauche diese Geste und so weiter. Vielleicht könnte man es auch als Bild-Gedankenblitze bezeichnen. Wenn ich dann konkret an dem Gemälde arbeite, setze ich mich bis zur Vollendung intensiv und konkret mit ihnen auseinander. 

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?

Die Themen zu meinen Bildern suche ich in der Gesellschaft, aber auch in mir selbst.  Häufig begebe ich mich auf Zeitreisen durch die Epochen der Geschichte, aber auch der Mythologie: Menschliche Schicksale, Werteverfall, Intoleranz, Ungerechtigkeit, Missachtung von Menschenrechten. Oh, Mann, vor allem diese Ignoranz erfüllt mich extrem mit Zorn. Dann Persönlichkeiten, die für ihre eigene Freiheit und die der Menschheit gekämpft haben. Aber auch spirituelle Themen wie die Verbundenheit von Pflanzen, Tier und Mensch. Der Kreislauf des Lebens. Oder der Kampf mit den eigenen inneren Dämonen. Antworten auf die Fragen: Wer bin ich, was bin ich? Eben die Suche nach der Wahrheit, gestern wie heute. Und immer wieder Hoffnung als Leitthema. Mit anderen Sujets kann ich nichts anfangen. Ich muss mich anhand dieser Themen ausdrücken und Farbe bekennen, alles andere befriedigt mich nicht. Übrigens. Ich finde, ich bin hier noch viel zu harmlos. Ich spüre, meine Bilder und Kunstobjekte müssen noch viel krasser in der Darstellung werden. 

„Ich will Seelenzustände darstellen, wo das Innere sich Bahn bricht, nach außen gekehrt wird und dort förmlich explodiert.“


Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Der, an dem sich mein Handeln verselbstständigt. Wenn ich beispielsweise an einem Bild male und plötzlich ohne Vorankündigung in eine andere Welt eintauche. Dort gelingt mir alles oder auch nichts (lacht) – ein einziger orgiastischer Schöpfungsprozess.


Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Die meisten Leinwände spanne ich selbst auf Keilrahmen. Meine Grundierung ist einzigartig, quasi eines meiner Markenzeichen – sie ist reliefartig. Ich male mit Akryl, Öl, Paste, benutze für einige Werke oxidierte Metallfolie und Schmucksteine und ganz wichtig ist für mich zum Schluss der Firnis. Bei meinen Kunstobjekten, wie den Stühlen, beziehe ich die Sitzfläche mit Leinwand. Zur Gestaltung benutze ich die gleichen Grundmaterialien, die Dekoration kann jedoch variieren. Bis ein Kunstwerk endgültig fertig ist, brauche ich teilweise mehrere Monate.


„Mit der Wahl gesellschaftskritischer und existentieller Sujets appelliere ich an Betrachter sich auf den Weg zu machen, die Wahrheit zu finden.“


Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten oder ist das Ergebnis unerwartet?

Gute Frage. Es ist wirklich beides. Ich habe eine Skizze, meist auf DIN A4 und in meinem Kopf existiert eine ganz genaue Vorstellung, wie die Szenerie und Inszenierung meiner Protagonisten aussehen soll. So beginne ich. Ich plane das Bild, wie ich es aus meinem Studium als TV-Journalist gelernt habe. Als nächstes übertrage ich die Personen mit Bleistift auf die Leinwand. Während des Malprozesses kann plötzlich ein Impuls mich neu leiten. Dann wird es richtig spannend. 


Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?

Da ist eine innere Stimme, die sagt: Jetzt ist es gut. Jetzt bist du fertig. Die ist immer da. Bloß sie zu hören, hat gedauert.

Der Konsumverweigerer 1,90m x 0,90m



Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?

Ich denke es ist ein Mischmasch. Bücher, Filme über Philosophie, Geschichte. Freiheitsliebende Menschen, Künstler, in erster Linie aus dem Jugendstil oder Kreative wie Karl Lagerfeld oder Helmut Newton. Natürlich Politik. Corona, eine entsetzliche Zeit, in der es wieder modern war, seinen Unterdrückungsphantasien gegenüber einer Minderheit Ausdruck zu verleihen indem man dazu überging, beispielsweise Ungeimpfte aus dem sozialen Leben auszusperren. Jetzt der Ukraine-Krieg. Menschen, die für Frieden sind, müssen sich als „Lumpenpazifisten“ beschimpfen lassen. Meine Gedankenwelt ist so voll und die Zeit so gering, um ihr bildlich Ausdruck zu verleihen. 


Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?


Sie meinen, wie irgendwelche Künstler nackt malen oder bei lauter Klassikmusik um drei Uhr morgens. (lacht) Nein, ich bin eigentlich ganz brav. Ich versuche jeden Tag zu malen und wenn es nur für eine Stunde ist, egal. Auch wenn ich hundemüde bin. Unverzichtbar ist für mich mein Training. An den Gewichten oder auf der Laufstrecke mit meiner Frau. Das sind meine Fundamente: Sport und Kunst – meine Lebenselixiere. Stopp: Einen Spleen habe ich schon. Jeden Morgen nach dem Aufstehen gehe ich rüber, mein Atelier ist direkt neben meinem Schlafzimmer, und schaue mir das Bild an, an dem ich gerade arbeite. Auch wenn ich noch nicht richtig aus den Augen sehen kann, aber da muss ich hin.


Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?

Es ist wirklich wieder beides: Gerade habe ich aus der Serie „Deutschland, deine Frauen“ ein Bild beendet mit dem Titel „Mala Zimetbaum“. Eine Heldin. Eine Jüdin, die in Auschwitz ihr Leben verlor. Und dann gibt es wieder Werke mit den Titeln „Quo vadis“, „Der Konsumverweigerer“ oder „Amals Wanderung“, die nur meiner Fantasie entspringen.

Im Zeichen des Feuers 1,50m x 0,90m


Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?


Ich liebe Namen aus dem Keltischen, Germanischen und Lateinischen. Ihre Bedeutungen entspringen häufig aus dem Glauben heraus und einer tiefen Verwurzelung mit den Tieren und der Natur. Mir ist wichtig, diese Ursprünglichkeit durch meine Bilder wieder in unser aller Bewusstsein zu rufen.


Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen – woran arbeiten Sie?


Aktuell arbeite ich an meinem Projekt über die vier Elemente: Wasser – Feuer – Luft – Erde. Zu jedem Element gibt es eine Trilogie an Bildern. Wasser ist abgeschlossen. Alle Bilder sind 1,50 Meter auf 0,90 Meter in Öl, Acryl, eventuell oxidierte Metallfolie – auf Leinwand. Und jetzt aktuell Feuer. Wir Menschen fürchten und verfluchen es, aber genauso brauchen wir es zum Überleben. Für mich ist es in diesem Bild eine Allegorie: Das Licht des Feuers gibt dem erschöpften Frieden und der Hoffnung Kraft, wieder zu brennen. 


Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?


Ich habe so viele Kunstideen im Kopf. Darüber mache ich mir keine Gedanken.
In ein paar Jahren werden die Galeristen bei mir Schlange stehen.


Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in fünf Jahren?

Ganz oben.

Besuchen Sie jetzt die Website von Florian Simon Eiler:

www.floriansimoneiler.com

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