Im Dialog mit der Natur: Interview mit Sara Schubert

Im Dialog mit der Natur: Interview mit Sara Schubert

Die Hamburger Künstlerin Sara Schubert verbindet in ihren Werken Mensch und Natur zu einer eindrucksvollen Einheit. Inspiriert von ihren Erlebnissen in Kolumbien erschafft sie mit intuitiven Spachteltechniken und spiegelnden Effekten ausdrucksstarke Bilder, die die Schönheit und Verletzlichkeit unserer Umwelt zeigen. Ihre Kunst ist ein Appell an Bewusstsein, Empathie und den achtsamen Umgang mit der Natur.

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?



Ich sehe darin die Möglichkeit, meine tiefen Eindrücke und Erfahrungen mit der Natur auf eine persönliche und emotionale Weise auszudrücken. Besonders prägend war für mich eine Zeit in Kolumbien, fernab der üblichen Touristenpfade. Dort lebte ich auf einer abgelegenen Finca und konnte die unberührte Schönheit der Natur hautnah erleben. Diese Erlebnisse haben meine künstlerische Sichtweise stark beeinflusst und mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Zerbrechlichkeit der Natur sichtbar zu machen. Kunst ist für mich ein Medium, um diese Beziehung zu reflektieren und andere dafür zu sensibilisieren.

Foto: Marek Audirsch

Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?

Mich inspiriert die stille Beobachtung des Alltags – die kleinen, oft übersehenen Momente, in denen sich Schönheit, Spannung oder Widerspruch zeigen. Ich lasse mich auch stark von Emotionen und inneren Zuständen leiten – meine Arbeit ist oft ein Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Die Natur ist eine ständige Quelle der Inspiration. Aber am meisten inspiriert mich die Möglichkeit, durch Kunst zu kommunizieren – etwas zu erschaffen, das andere berührt, irritiert oder zum Nachdenken bringt. Diese Verbindung ist es, die mich jeden Tag antreibt.

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?


In meiner Kunst beschäftige ich mich intensiv mit der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Meine Bilder erzählen visuell von bedrohten Tierarten und empfindlichen Ökosystemen. Dabei geht es mir nicht nur um ästhetische Ausdrucksformen – ich möchte mit meiner Arbeit Empathie wecken und Menschen berühren. Mein Ziel ist es, durch visuelle Geschichten ein Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu schaffen und dazu zu inspirieren, aktiv zum Schutz unserer Umwelt beizutragen. Kunst kann Brücken bauen – zwischen Emotion und Erkenntnis, zwischen Schönheit und Verantwortung.

Foto: Marek Audirsch

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Am meisten fasziniert mich der Moment, in dem aus Chaos Struktur entsteht – wenn eine Idee, die zunächst vage und unfassbar war, plötzlich Form annimmt. Dieser Übergang vom Ungewissen zum Sichtbaren ist für mich magisch. Ich liebe die Phase, in der Intuition und Kontrolle miteinander ringen, und ich nicht weiß, wohin mich das Werk führen wird. Es ist ein Zustand voller Energie. Besonders spannend finde ich auch die Arbeit mit Materialien – das direkte, physische Erleben, das Spuren hinterlässt und Geschichten erzählt. Und schließlich ist es der Dialog mit dem fertigen Werk, der mich berührt.

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Meine Technik basiert auf dem Prinzip der Schichtung – sowohl im materiellen als auch im inhaltlichen Sinne. Ich arbeite mit Strukturpaste, um Tiefe und Haptik zu erzeugen. Die Verwendung von stabilisierten Moos schafft eine unverwechselbare Ästhetik, die sich deutlich von klassischen Maltechniken abhebt. Jede Schicht erzählt einen Teil der Geschichte, manchmal sichtbar, manchmal verborgen. Der Prozess ist intuitiv, aber nicht zufällig – ich lasse Raum für Zufall, aber jede Spur hat ihre Berechtigung.

Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?

Es ist ein Spiel zwischen Kontrolle und Loslassen, zwischen Oberfläche und Bedeutung. Meine Werke entstehen langsam, in einem Dialog mit dem Material, der Zeit und dem, was sich zeigen will.

Natur im Dreiklang - 150x100

Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?


Ein Werk ist für mich dann fertig, wenn es beginnt, mir etwas zurückzugeben – wenn ich nicht mehr das Gefühl habe, eingreifen zu müssen, sondern das Werk eine eigene Präsenz entwickelt hat. Es ist ein stiller Moment, oft schwer zu greifen, aber sehr deutlich zu spüren. Manchmal ist es ein Blick, ein Lichtwechsel oder ein Abstand, der mir zeigt: Jetzt spricht das Werk für sich. Natürlich gibt es auch Zweifel – aber ich habe gelernt, ihnen nicht immer nachzugeben. Perfektion ist nicht mein Ziel, sondern Echtheit. Wenn die Schichten und die Struktur in ein Gleichgewicht treten, das mich berührt, dann weiß ich: Es ist vollendet.

Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?


Ein zentraler Einfluss für mich ist Claude Monet. Seine Fähigkeit, Licht, Atmosphäre und Vergänglichkeit in Farbe zu übersetzen, berührt mich tief. Besonders seine Serienwerke – wie die Seerosen oder die Kathedrale von Rouen – zeigen, wie sich Wahrnehmung durch Zeit und Stimmung verändert.

Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?


Ja, mein Atelier ist für mich ein Rückzugsort, fast wie ein stiller Resonanzraum. Bevor ich beginne, brauche ich einen Moment der Ruhe – manchmal mit Musik, manchmal in völliger Stille. Ein unverzichtbarer Gegenstand ist mein Spachtel – er ist nicht nur Werkzeug, sondern fast wie eine Verlängerung meiner Hand. Auch die Strukturpaste hat ihren festen Platz, sie ist Teil meines visuellen Vokabulars. Und dann gibt es kleine Dinge, die mich begleiten: ein Stein vom Meer, ein Zitat an der Wand, ein alter Pinsel, den ich nie benutze, aber aufbewahre – sie erinnern mich daran, dass Kunst auch aus Erinnerung und Gefühl entsteht.

Tree of hope - 100x100

Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?


Meine Werke basieren ausschließlich auf Eindrücken und Erfahrungen aus dem wirklichen Leben. Ich arbeite mit dem, was ich sehe, fühle und berühre – Licht, Struktur, Material, Atmosphäre. Es geht mir darum, das Reale zu verdichten, zu überlagern und in eine neue visuelle Sprache zu übersetzen.

Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?


Die Titel meiner Werke entstehen oft aus einem intuitiven Prozess – manchmal ist es ein einzelnes Wort, das mir während des Schaffens in den Sinn kommt, manchmal ein Satzfragment aus einem Gespräch oder einem inneren Monolog. Ich sehe den Titel nicht als bloße Beschreibung, sondern als Erweiterung des Werkes – wie ein Echo, das die Stimmung, das Thema oder die Spannung des Bildes aufgreift. Manchmal kommt der Titel erst ganz am Ende, wenn das Werk für mich „atmet“ und ich spüre, was es sagen möchte. Es ist ein Dialog zwischen Bild und Sprache – und ich versuche, diesen Moment der Klarheit einzufangen.

Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?


Aktuell arbeite ich an einer neuen Serie, die sich mit dem Einklang zwischen Natur und Mensch beschäftigt. Im Mittelpunkt steht die Vergänglichkeit unserer Umwelt – ein Thema, das mich sowohl emotional als auch gestalterisch stark bewegt. Ziel ist es, nicht nur ästhetisch zu berühren, sondern auch ein Bewusstsein für Artenschutz zu schaffen. Parallel dazu arbeite ich an Kooperationen mit Immobilien und Hotels, um meine Kunst dort zu präsentieren, wo sie gesehen und erlebt wird. Ich glaube daran, dass Kunst gerade in solchen Räumen eine besondere Wirkung entfalten kann – sie schafft Atmosphäre, regt zum Nachdenken an und bringt Themen wie Nachhaltigkeit in einen neuen Kontext.

Orchidee - 70cm

Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?


Ein großer Traum von mir ist es, einmal im Haus der Kunst in München oder im Palais de Tokyo in Paris auszustellen. Beide Orte stehen für eine progressive, internationale Kunstszene, die sich nicht scheut, Grenzen zu verschieben und neue Perspektiven zu eröffnen. Das Haus der Kunst beeindruckt mich durch seine Geschichte und seine kuratorische Tiefe – es ist ein Ort, an dem Kunst nicht nur gezeigt, sondern auch kontextualisiert und diskutiert wird. Das Palais de Tokyo wiederum fasziniert mich durch seine Offenheit gegenüber experimentellen Formaten und jungen Positionen. Ich möchte, dass meine Arbeiten dort in einen Dialog mit einem vielfältigen Publikum treten.

Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?



In fünf Jahren sehe ich meine Künstlerkarriere als noch stärker verwurzelten Teil meines Lebens – sowohl persönlich als auch professionell. Ich möchte meine künstlerische Handschrift weiterentwickelt haben, sodass sie nicht nur wiedererkennbar ist, sondern auch eine tiefere emotionale Resonanz erzeugt. Mein Ziel ist es, international auszustellen und mit anderen Künstlern sowie Kuratoren in einem kreativen Dialog zu stehen. Ich wünsche mir, dass meine Arbeiten nicht nur in Galerien, sondern auch in öffentlichen Räumen und interdisziplinären Projekten sichtbar sind – Kunst, die Menschen im Alltag begegnet und zum Nachdenken anregt. Kurz gesagt: Ich sehe mich als Teil einer lebendigen, sich ständig wandelnden Kunstszene, die Grenzen auslotet und Verbindungen schafft.

Fotos von: Marek Audirsch

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Weitere Informationen und aktuell verfügbare Werke:
www.saraschubert.com