Zwischen Chaos und Harmonie: Interview mit Matthias Oppermann

Zwischen Chaos und Harmonie: Interview mit Matthias Oppermann

In einem bürgerlichen Umfeld aufgewachsen, prägten Matthias Oppermann die widersprüchlichen Botschaften von idealisierter Liebe und den Grausamkeiten des Krieges, die ihn irritierten und in seiner Kunst Ausdruck fanden. Eine Surrealisten-Ausstellung, die er mit 16 besuchte, brachte ihn schließlich dazu, den Entschluss zu fassen, Künstler zu werden. In den letzten Jahren richtete Oppermann seinen Fokus wieder verstärkt auf die menschliche Figur. Statt das Sichtbare zu zeichnen, konzentriert er sich darauf, wie sich der Körper in der Erinnerung anfühlt und erkundet so eine tiefere, körperlichere Wahrhaftigkeit in seiner Kunst.

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?

Als ich sechzehn Jahre alt war, besuchte ich in München eine große Surrealistenausstellung. Die Bilder von Dalí, Tanguy und Max Ernst faszinierten mich zutiefst. Ich fühlte mich in eine neue Welt versetzt und dachte plötzlich: „Das kann ich auch.“ Danach begann ich jede freie Minute zu malen, studierte Kunstbücher meiner Eltern und kopierte Arbeiten von Picasso und Munch. Die Zerlegung der menschlichen Figur bei Picasso und die Melancholie bei Munch sprachen mich besonders an. Ich stürzte mich in ein neues Abenteuer. Heute denke ich, dass ich in den surrealistischen Bildern die Gegensätze wiederfand, die mich damals in meinem Leben beschäftigten: Liebe und Hass, elterliche Zuneigung und Züchtigung, Idealisierung und Realität. Kunst wurde für mich ein Ort, an dem diese unterschiedlichen menschlichen Impulse nebeneinander bestehen und neue Räume schaffen können. Mein Kunstlehrer riet mir davon ab, die Kunst zum Beruf zu machen. Ich studierte Medizin und begann mich für Psychoanalyse zu interessieren. Auch hier in der psychoanalytischen Theorie fand ich diese Gegensätzlichkeiten im Menschen wieder. Die Kunst gab ich nicht auf. Mit Freunden traf ich mich regelmäßig zum Malen und Diskutieren, und Ende der Achtziger hatte ich meine erste Ausstellung. So wurde ich Psychoanalytiker und Künstler. Während der Psychoanalytiker zusammen mit den Patienten die neurotischen Verzerrungen der Realität untersucht und zu überwinden hilft, erweitert der Künstler die Wahrnehmung der Realität. Beiden ist gemeinsam, dass diese Arbeit eine ständige Konfrontation mit dem eigenen Ich erfordert. Ich erkannte, dass die Welt – bei genauem Hinsehen – voller berührender Gegensätze ist, die, integriert, neue Kraft entwickeln können.


"Meine Kunst beginnt dort, wo Worte enden. Sie entsteht an den Grenzen der Sprache und der bewussten Realität." Foto: Kay Pinnow

Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?

Die Beschäftigung mit meiner Kunst ist ein ständiger, sublimer Prozess. Oft werde ich gefragt, wie ich nach meiner Arbeit als Psychoanalytiker sofort malen könne. Andere Künstler brauchen Zeit zum Beginnen – ich höre nie auf. Es ist wie eine Tonspur „Kunst“, die in mir permanent läuft. Diese innere Haltung beinhaltet Neugier und Distanz, um die Wirklichkeit immer wieder neu auszuloten. Meine Kunst ist wie ein Fluss, der ununterbrochen weiter fließt. Inspiration kommt oft aus besonderen Momenten. Wenn ich in den Bergen wandere, kann plötzlich das Gefühl auftauchen, „Wo bin ich hier?“, nicht geografisch. Es ist eher das plötzliche Gefühl, hier fremd zu sein. Wenn ich dann zeichne, verbinde ich mich wieder mit dem Ort und erfahre ihn wie neu. Vor mehreren Jahren habe ich im Bergell einen großen Felsbrocken gefunden, der wie ein weinender Kopf aussah. Die Frage „Warum weint ein Stein?“ ließ mich nicht los. Ich zeichnete ihn, malte ihn, nahm Frottagen ab, untersuchte andere Steine in der Umgebung – ohne Ziel, einfach aus Neugier. Es entstand dann eine Art Projekt, wobei ich nicht weiß, wohin es führt, eine Art Untersuchung. Es mag verrückt klingen, aber gerade diese Suche treibt mich an, als wäre ich Fragen auf der Spur, die immer weiter gesponnen werden. Die größte Inspiration aber geben mir schließlich die Bilder selbst. Sie werden zu Gegenübern, die mich anschauen und mir manchmal „sagen“, wie sie weitergemalt werden wollen. Aus diesen Dialogen entstehen neue Gedanken, die Jahre später wieder auftauchen können – wie die Donau, die nach ihrem Ursprung lange unter der Erde fließt, um dann wieder an die Oberfläche zu kommen.

"Ich möchte Menschen dazu ermutigen, tiefer hinter die Oberfläche des Alltäglichen zu blicken und die verborgenen Schichten ihrer eigenen Realität zu entdecken." Foto: Meret Oppermann

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?

Ich begann mit der menschlichen Figur – dem Ort von Emotionen und Gegensätzen, die mich faszinieren. Mein Medizinstudium gab mir Einblick, wie der Körper von innen zusammengehalten wird. Mitte der 90er verlagerte sich mein Interesse, als ich begann, allein in den Bergen zu wandern. Die Liebe zu den Bergen wurde mir von meinem Großvater vermittelt; später unternahm ich Touren mit Freunden, bis ich schließlich allein weiterwanderte und zeichnete. Inspiriert von Anton Holzers „Die Bewaffnung des Auges“ untersuchte ich zeichnend meine Wahrnehmung der Bergwelt: Wie verändert sich der Blick im Gehen? Was bleibt als Erinnerung zurück? Durch das Fotografieren eines Aufstiegs, bei dem mein eigener Schatten immer wieder auftauchte, kam ich zurück zur Figur. Über Jahre malte ich Spaziergänger, später auch Köpfe – Orte des Denkens. Dies sind bis heute meine Hauptsujets: der menschliche Körper, Landschaften und Köpfe. In den letzten Jahren rückte der menschliche Körper erneut in den Fokus, insbesondere durch Gedanken zur Verhältnis Mensch-Natur. Sind wir Teil der Natur oder „Fremdkörper“? Warum zerstören wir, was wir lieben? Meine Figurenbilder zeigen nackte Körper ohne zivilisatorische Hüllen – widerständig, aber auch auf der Flucht. Sie sollen den Betrachter berühren, Neugier wecken und neue Wahrnehmungskanäle öffnen. Schönheit allein interessiert mich nicht; meine Bilder enthalten Hässliches und Schönes, Licht und Dunkelheit, die einander bedingen. Mir ist es wichtig, Idealisierung zu vermeiden, weil sie die Welt zu einem Klischee verkommen lässt. Auch im Malprozess lehne ich festgefahrene „schöne Stellen“ ab. Sie müssen zerstört werden, damit das Bild weiter wachsen kann. Nur so bleibt der Prozess lebendig, und jedes Bild ist neu.

"Jeder Pinselstrich ist ein Experiment, ein subversives Spiel mit Normen und Erwartungen. Ich suche das Fremde im Bekannten, die Schatten im Licht."Foto: Birgitte Munk

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Mir fallen dazu zwei Situationen ein. Ich arbeitete vor vielen Jahren in die Emilia Romagna. Ich saß in der Natur und zeichnet die Landschaft, den gleichen Blick immer wieder. Ich wollte ihn genau abbilden und festhalten, als ob ich den Blick auswendig lernen wollte. Schließlich langweilte es mich. Es wurde mühsam, ermüdend, uninteressant. Ich machte trotzdem weiter. Plötzlich veränderte sich alles. Ich fühlte eine Freiheit und Leichtigkeit angesichts der Landschaft, wie in einem berauschenden Spiel. Auf dem Bild entstand genau die Landschaft, wie ich sie sah. Es schien mir wichtig, durch diese Langeweile hindurch gegangen zu sein. Es sind diese Überraschungen, die ich liebe, dass sich plötzlich etwas verändert. Das Problem ist, dass sich solche Momente ereignen müssen, sie sind nicht herzustellen. Ein anderer Moment, den ich häufiger erlebe, entsteht, wenn ich mit dem Bild in einem intensiven Dialog gerate. Jede Aktion auf dem Bild verlangt eine Reaktion. Es fühlt sich wie eine intensive Zwiesprache mit dem Bild an, ein Rauschhaftes hin und her, manchmal wie ein Tanz, wo Innen und Außen eins werden, wie guter Sex. Aber auch hier gibt es ein Problem. „Nüchtern“ am nächsten Tag ist das Bild nicht unbedingt besser. Diese Momente sind mir aber wichtig, weil sie etwas von einem aufregenden Spiel haben und ich glaube, dass diese Prozesse mein konzeptionelles Denken zurückdrängen und dem etwas Sinnliches hinzufügen.

Foto: Meret Oppermann

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Eine Technik klang eben schon an. Die Technik der Wiederholung. Hier gibt es eine Parallele zu meiner analytischen Tätigkeit. Ich höre im Grunde immer wieder dieselben Geschichten. Sie wiederholen sich aus verschiedenen Perspektiven. Sie können auch langweilen, bis allmählich, manchmal auch plötzlich eine Veränderung in der Wahrnehmung der berichteten Geschichten geschieht. So ist es auch in der Kunst. Irgendwann nehme ich Dinge in der Landschaft wahr, die mir früher nie aufgefallen waren. So bin ich in den 90er Jahren einen Weg in den Schweizer Alpen mehrere Jahre immer wieder gegangen und habe pleinair gezeichnet. Bei diesen Wiederholungen entdeckte ich den Rhythmus der Landschaft. Als ich mich mit dem „fotografischen Blick“ auf die Landschaft auseinandersetzte, weil ich merkte, wie mein Blicken auf die Landschaft von der Fotografie geprägt ist, begann ich auf Fotoabzüge zu malen und Farbschichten abzukratzen, das Gleiche machte ich später mit Fotonegativen und entwickelte dabei eine eigene Technik, die ich Fotograffitos nannte. Im Grunde attackierte ich dabei die Bildträger der  Fotografie, um zum eigenen Blick zu kommen. Da ist durchaus etwas Subversives in meiner Technik. Auch der fotografischen Blick auf den menschlichen Körper langweilte mich, und ich unterlief ihn dadurch, dass ich Körper zeichnete, wie sie sich in der Erinnerung getastet anfühlen. Im Verlauf dieser Projekte verändert sich auch meine Technik, die Bildträger und die Materialien.

Foto: Birgitte Munk

Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?

Meist gibt es eine Idee, die etwas in mir berührt. Die Ideen sind offene Fragen, ein Ergebnis ist nicht vorhersehbar. Ich möchte dies an meinem Bildvergrabungsprojekt erklären. In meiner Landschaftsmalerei bilde ich Verwitterungsprozesse ab, die die Berge durch Erosion formen. Beim Malen imitiere ich diese Prozesse auf der Leinwand. Es kam mir die Idee, die Natur direkt mitarbeiten zu lassen, Bilder auf Bergen zu deponieren oder eine Ausstellung im Tal im Winter einschneien zu lassen. Die Umsetzung war jedoch zu kompliziert. Während einer Diskussion über Geflüchtete, bei der es um Entfremdung in fremden Kulturen ging, dachte ich in der Nacht wieder an diese Bildpläne. Plötzlich hatte ich die Idee, Bilder zu zerschneiden und weltweit zu vergraben. Der zerstörerische Akt des Zerschneidens erschien intuitiv notwendig, um zu beginnen. Beim Umsetzen begann ich diesen Zerstörungsakt zu verstehen: Als Vorbereitung auf die „Reise unter die Erde“ löste ich die Bilder aus ihrem kompositorischen Zusammenhang. Dies verband sich assoziativ mit schamanistischen Ritualen, in denen die Schamanen auf ihrer Jenseitsreise mittels Trance ihre kulturellen Zusammenhänge aufbrechen. Unerwartete Entwicklungen und Zufälle sind mir willkommen, da sie oft neue Wendungen bringen. Dieses prozesshafte Denken zeigt sich auch in gemalten Werken, die sich oft über längere Zeit entwickeln.

Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?


Die Bilder hängen lange im Atelier. Ich schaue sie oft an. Da sich mein Atelier in der Wohnung befindet, in der ich lebe, lebe ich auch mit meinen Bildern. Wenn sie über einen längeren Zeitraum, für mich ihre Spannung behalten, und ich keine Impulse mehr verspüre, etwas zu ändern, sind sie fertig für eine Ausstellung. Aber letztendlich sind sie erst, wenn sie verkauft sind, vor mir sicher.

Foto: Kay Pinnow

Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?

Ich lese gerne Biografien von anderen Künstlern oder Künstlerinnen. Im Grunde suche ich dabei nach Gemeinsamkeiten in diesem einsamen Geschäft. Das war z.B. Francis Bacon, der mich mit seiner Dekonstruktion von Figuren fasziniert hat, und ich verstanden habe, wie brutal es ist, einen Kopf zu abstrahieren. Oder Lucian Freud, der seinen Modellen visuell „auf den Pelz rückte“. Bei beiden berührten mich eher ihre Bilder, weniger ihre Person oder was sie über ihre Kunst sagten. Anders bei Alberto Giacometti, dessen Arbeiten mich zunächst fast abstießen, weil ich in allen den Tod sah, mir aber seine Gedanken, die er zur Kunst und Wahrnehmung schrieb, unheimlich vertraut waren. Die monolithische Darstellung meiner figürlichen Arbeiten ist sicherlich von ihm beeinflusst. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede. Während er in der Materie des Materials, mit dem er arbeitete, wie auch in den Körpern selbst etwas Tödliches und somit Bedrohliches vermutete, sehe ich dagegen darin Lebendigkeit und Sinnlichkeit verortet. Mich hat auch Musik inspiriert. In einem Projekt habe ich zu einer Cellosonate von Brahms gezeichnet und gemalt. Hier entdeckte ich eine andere Art der Linien neben den gesehenen und den in der Erinnerung ertasteten: Linien, die ohne etwas zu bedeuten oder ohne symbolischen Anspruch wie Krakeleien aus mir herausbrechen. Seitdem sitze ich manchmal auch am Meer, höre auch die Wellen und den Wind und zeichne, was diese in mir auslösen.

Foto: Birgitte Munk

Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?


Ein Ritual gibt es jeden Morgen nach dem Aufstehen. Ich gehe ins Atelier und betrachte die entstehenden Bilder, als ob ich sie jeden Morgen wie Mitbewohner begrüße. Es gibt in meinem Atelier zwei Dinge, die für mich eine emotionale Bedeutung haben, ein Mikroskop von meinem Großvater, dass er in den 20er Jahren aus Sperrholz gebastelt hat und ein schwarzer Engel, der in einer Ecke im Atelier unter der Decke hängt. Der Engel hing bei meinen Schwiegereltern auf dem Dachboden. Er war von Nachbarn dort untergestellt worden. Die Nachbarin hatte Angst vor ihm, weil schwarze Engel Unglück bringen, wenn sie nicht gar mit dem Teufel im Bunde stehen. Auch bei meinen Schwiegereltern war es nicht wirklich klar, was man von ihm halten sollte. Er wurde mit gewisser Ehrfurcht behandelt, und vielleicht waren sie froh, als ich mein Interesse daran bekundete und ihn mitnahm. Jetzt bewacht er wie ein guter Geist mein Arbeiten. Das Mikroskop schenkte mir mein Großvater, den ich sehr mochte. Er erklärte mir als Kind die Funktionsweise, und ich sah durch dieses Mikroskop erste faszinierende Bilder von einer sonst unsichtbaren Welt.

Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?


Meinen Arbeiten haben immer einen Hintergrund im oder eine Verbindung zum wirklichen Leben. Meine Projekte entstehen in Auseinandersetzung mit meinem Erleben von Realität.  Wenn im Prozess assoziative Elemente hinzutreten, dann sind sie durch die Realität oder von etwas Erlebtem ausgelöst. Dieser Realitätsbezug ist mit wichtig. Rein ästhetische Kompositionen, können mir zwar gefallen, aber ich erlebe sie oft als beliebig.

Nebel 100 x 150 Öl auf Leinwand

Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?

Da bin ich nicht gut. Früher habe ich Titel als sehr zwiespältig erlebt. Ein Titel führt immer eine andere Ebene ein. Damals gab es sicherlich eine Überschätzung, eine Idealisierung des Werkes. Ich dachte: wenn es einen Titel braucht, dann fehlt etwas im Bild. Das denke ich heute nicht mehr. Bei dem Betrachten der Bilder, manchmal auch beim Malen fallen mir Worte ein, die ich notiere. Daraus entstehen Titel. Manchmal finde ich auch keinen. Bei meinen Figuren vermeide ich Titel, weil ich dem Betrachter überlassen möchte, was er dazu empfindet. Sie heißen dann Figur, Liegende, oder Körper.


Farbräume 150 x 120 cm Öl auf Leinwand

Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?

Mein derzeitiges Projekt greift etwas auf, was mich schon früher interessiert hat: die Erinnerung. Es gibt eine Arbeit, in der ich wie in einer Versuchsanordnung Fotos einer Bergbesteigung für kurze Zeit anschaute und dann aus der Erinnerung die Linien oder  Strukturen zeichnete, die ich erinnerte. Ich war damals nicht ganz ehrlich, weil ich diese „Erinnerungsbilder“ auch irgendwie als Bilder komponierte oder meine Hand etwas „hinzu fantasierte“. Letztes Jahr nach einer Reise in den USA mit sehr intensiven Eindrücken, versuchte ich zu zeichnen, was ich erinnerte, möglichst ohne es mit meinem bildnerischem Wissen zu ergänzen. Ich merkte, wie schwierig, wie beunruhigend es ist, pur die visuelle Erinnerung zu zeichnen. Es ist wie das Schweben über dem Nichts. Ich war da mit dem Vergessen konfrontiert, mit dem Verlust, dass Bilder innerlich verblassen. Es war dann eine inspirierende Entdeckung, als ich ein japanisches Papier in die Hände bekam, auf dem Tuschezeichnungen durchschlagen und auf der Rückseite noch angedeutet zu sehen sind. Ich hatte hier ein Material gefunden, mit dem sich dieser Prozess visualisieren lässt. Was sichtbar auf die Rückseite durchfärbte steht für die Erinnerung und wird das eigentliche Bild. Ich nenne das Projekt „Die Rückseite der Bilder“. Wohin das führt, weiß ich nicht. Es entstehen zarte Bilder, die mich berühren. Sind Erinnerungen auch verblassende, zarte Berührungen der Realität?

Kopf 60 x 50 cm Kreiden, Aquarell auf Leinwand

Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?

Ich hatte bisher viele Ausstellungen, aber würde gern in kommerziellen Galerien ausstellen, die sich für meine Kunst interessieren und mich fördern. Mir geht es dabei auch um Gespräche, die mich weiter bringen. Ausstellen an sich ist für mich wichtig, nicht nur um zu verkaufen, sondern weil die Bilder in einem fremden Raum hängen. Sie werden mir dann auch ein wenig fremder, und ich kann sie mit anderem Blick sehen.


Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?

Ich habe museale Ausstellungen und ein stabiles Netzwerk, mit dem ich mich über die Prozesse, die mich in meiner Kunst interessieren, austauschen kann.

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Aktuell verfügbare Werke und weitere Informationen finden Sie unter:
www.matthiasoppermann.de