Berlin Award For Visual Arts: Jury Interview mit Galerist Guinchi

Berlin Award For Visual Arts: Jury Interview mit Galerist Guinchi

In diesem Magazinbeitrag werfen wir einen näheren Blick auf Guinchi, Jurymitglied des Berlin Award for Visual Arts, und tauchen ein in seine facettenreiche Karriere und Expertise in der internationalen Kunstwelt.

Guinchi ist nicht nur Galerist, sondern ein international erfahrener Kunstexperte mit einer eindrucksvollen Karriere als Künstler und Kurator. Nach seinem Studium der Bildenden Kunst an der Universidad Jorge Tadeo Lozano in Kolumbien spezialisierte er sich auf klassische figurative Steinskulpturen, die weltweit in renommierten Galerien von Rom bis Hawaii ausgestellt wurden. Seine Expertise umfasst zudem umfangreiche Projekte in Musik- und Werbebranchen, darunter Kooperationen mit internationalen Marken wie Porsche und Intel sowie kreativen Größen der Musikszene wie Cro und Shirin David.

Mit der Gründung der Pandora Gallery im Jahr 2016, die inzwischen einen zweiten Standort in Berlin betreibt, bewies Guinchi eindrucksvoll seine Fähigkeit, Talente zu erkennen und nachhaltig zu fördern. In seiner Galerie hat er bereits über 1.500 Künstlerinnen und Künstler ausgestellt – ein Beleg für seinen umfassenden und scharfen Blick auf Kunst sowie seine außergewöhnliche Expertise bei der Auswahl bedeutungsstarker Werke. In seiner Tätigkeit als Jurymitglied bringt er heute nicht nur tiefes kunsthistorisches Wissen und technische Präzision ein, sondern auch eine scharfe Intuition für authentische und gesellschaftlich relevante Werke. Für Guinchi ist Kunst weit mehr als bloße Ästhetik – sie ist ein gesellschaftlicher Dialog, ein Werkzeug für Reflexion und Fortschritt. Tiefgründige Kenntnisse und unermüdliches Engagement machen Guinchi zu einer wichtigen Stimme in der zeitgenössischen Kunstszene Berlins und darüber hinaus.

Können Sie uns kurz etwas über Ihren beruflichen Werdegang erzählen?

Ich habe Bildende Kunst an der Universidad Jorge Tadeo Lozano in Kolumbien studiert und mich anschließend auf klassische figurative Steinskulptur spezialisiert. Meine Arbeiten wurden weltweit in Galerien ausgestellt – unter anderem in Rom, Barcelona, Berlin, Düsseldorf, Medellín, Bogotá, Hawaii, Indien, Lettland und England. Ich erhielt Auszeichnungen wie den „New Talents“-Preis beim National Art Prize in Medellín (2012) sowie den Preis bei der Quadrennial of Sculptors in Riga (2024).

Neben meiner künstlerischen Praxis war ich auch in der Musik- und Werbebranche tätig – unter anderem für Porsche, Snickers, Intel, Penny und Mobil. In der Musikszene arbeitete ich an Musikvideos für Cro, Badmómzjay, Claudia Valentina, Estikay, Shirin David u. v. a. Ich habe Skulpturen für Oshun (präsentiert im Berliner Dom 2021) und Stefan Rink geschaffen. 2016 gründete ich die Pandora Gallery, in der ich über 1.500 Künstler*innen ausstellte. Seit 2022 betreibe ich einen zweiten Standort der Galerie in Berlin.

Gibt es ein Kunstwerk oder eine künstlerische Erfahrung, die Ihren Blick auf Kunst nachhaltig geprägt oder verändert hat?

Mein klassischer Ausbildungshintergrund in Kolumbien prägte meine Sichtweise sehr – ich glaubte fest an Technik und Schönheit. Doch mein Umzug nach Europa vor über zwölf Jahren konfrontierte mich mit einer Kunstszene, in der Philosophie, Konzept und Experimentation eine zentrale Rolle spielen. Besonders Berlin mit seiner Offenheit und seinem experimentellen Charakter veränderte meine Auffassung: Kunst ist mehr als Dekoration – sie kann Denkprozesse anstoßen und gesellschaftliche Ideen verhandeln.

Welche Erfahrungen oder Momente Ihrer Karriere haben Ihre Sichtweise auf Kunst besonders beeinflusst?

Die drei Jahre, die ich im Künstlerhaus Greenhouse Berlin lebte und arbeitete, waren für mich prägend. Umgeben von Dutzenden Künstler*innen aus verschiedenen Disziplinen, lernte ich nicht nur zu lehren und zu zeigen, sondern auch, mich selbst als Künstler zu begreifen – nicht nur als klassisch ausgebildeter Steinbildhauer. Diese Zeit öffnete mir die Augen dafür, dass Kunst ein mächtiges Werkzeug für soziale Inklusion und gesellschaftliches Bewusstsein sein kann.

Wie definieren Sie persönlich gute Kunst? Welche Kriterien sind für Sie entscheidend, wenn Sie Kunstwerke beurteilen?

Gute Kunst ist für mich eine persönliche Erfahrung. Nicht jede*r mag Rot oder Blau, abstrakt oder figurativ. Doch wenn ein Werk nur dekorativ ist, verliert es für mich an Tiefe. Wenn es jedoch lehrt, reflektiert, zum Nachdenken anregt und sich nicht ausschließlich um die Emotionen des Künstlers oder der Künstlerin dreht, sondern eine tiefere gesellschaftliche Ebene berührt, dann gewinnt es an Bedeutung.

Ein Werk mit naiver Technik, aber tiefem Inhalt, kann weltweit mehr bewirken als ein hyperrealistisches Porträt der Freundin des Künstlers.

Was inspiriert Sie aktuell am meisten in der zeitgenössischen Kunstszene?

Die Integration von Robotik und der Diskurs über künstliche Intelligenz als Werkzeug sind für mich besonders spannend. Ich stelle mir vor, was Michelangelo Buonarroti mit Elektrizität und modernen Werkzeugen geschaffen hätte. Heute sind Lasercutter in der Lage, mit höchster Präzision zu arbeiten – klassische Techniken mit Technologie zu verbinden, führt zu großartigen Ergebnissen.

Mich fasziniert die Zusammenarbeit von Programmiererinnen, Kunsthistorikerinnen, Handwerkerinnen und Designerinnen – Kunst ist heute oft das Produkt kollektiver Prozesse.

Welche Entwicklungen oder Trends in der bildenden Kunst halten Sie derzeit für besonders spannend oder zukunftsweisend?

Die Demokratisierung von Tools wie KI, Apps und Programmen, die früher nur Fachleuten zugänglich waren, ist bahnbrechend. Projekte wie der Film Flow, der ohne großes Budget mit frei zugänglicher Software entstand, zeigen das Potenzial.

Trotz der Überproduktion „schneller Kunst“ werden sich in Zukunft die wahren Talente herauskristallisieren – wenn wir nicht mehr von KI-generierten Bildern beeindruckt sind. Ich glaube auch, dass handgefertigte Werke an Wert gewinnen werden – im Kontrast zu 3D-Druck und automatisierter Produktion.

Welchen Ratschlag würden Sie jungen oder unbekannten Künstler*innen mit auf den Weg geben?

Produziert, produziert, produziert! Holt euch Inspiration, aber kopiert nicht. Wenn ihr genug Werke geschaffen habt, erkennt ihr eine innere Linie, die euch und euer Werk widerspiegelt. Versucht nicht, jemand anderes zu sein. Eure Kunst wird euch definieren.

Denkt nicht ans Verkaufen – eure Werke sind eure Kinder, ihr schafft sie nicht, um sie zu verkaufen. So nehmt ihr euch selbst den Druck und erlaubt echte, aufrichtige Kreativität.

Wie beeinflusst Ihr eigener Hintergrund Ihre Entscheidungen als Jurymitglied?

Ich bringe eine fundierte technische Ausbildung, ein tiefes Verständnis für Kunstgeschichte und Anatomie sowie über ein Jahrzehnt kuratorischer Erfahrung mit. Ich habe Hunderte Bewerbungen gesichtet und kann inzwischen intuitiv erkennen, wann ein Werk besonders ist – ähnlich wie der Moment, wenn in einer überfüllten Diskothek plötzlich die Liebe deines Lebens vor dir steht.

Ich beurteile nicht danach, ob ich das Werk selbst machen würde oder ob es „harmonisch“ wirkt, sondern danach, ob es eine relevante Botschaft transportiert und authentisch wirkt.

Warum ist Ihnen Ihre Rolle als Jurymitglied wichtig?

Für mich ist diese Jurytätigkeit eine Anerkennung vieler Jahre harter, leidenschaftlicher Arbeit. Es ist wie ein Preis, der mein Engagement für die Berliner Kulturlandschaft würdigt. Ich habe diese Position angenommen, weil ich überzeugt bin, eine fundierte und objektive Perspektive einbringen zu können – unabhängig von persönlichen Vorlieben. Ich sehe es als meine Aufgabe, durch meine Erfahrung etwas Sinnstiftendes in die Gesellschaft zurückzugeben.

Welche Bedeutung hat der "Berlin Award For Visual Arts"?

Dieser Preis markiert den nächsten Schritt in Berlins Entwicklung als Kunstmetropole. Berlin steht für künstlerische Freiheit und Experiment, wird aber oft für seine DIY-Mentalität kritisiert. Solche Auszeichnungen helfen dabei, neue Standards zu setzen – und sie ermutigen Künstler*innen, auf professionellerem Niveau zu arbeiten, mit dem Anspruch, Kunstgeschichte zu schreiben. Der Award verleiht der Szene Orientierung und Wertschätzung – das ist gerade in einem so offenen Umfeld entscheidend.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft dieses Preises?

Kunstpreise geben Hoffnung. Sie bieten Orientierung, auch wenn es keine festen Regeln für „gute“ oder „schlechte“ Kunst gibt. Solche Initiativen schaffen Struktur, ermöglichen kollektive Intelligenz und schreiben – ob wir wollen oder nicht – Kunstgeschichte.

Ich wünsche mir, dass der Berlin Award weltweit als Impulsgeber wahrgenommen wird. Die Diversität der hier arbeitenden Künstler*innen, die Lebensbedingungen, die kreative Freiheit und der offene Geist Berlins sind ein fruchtbarer Boden für neue Entwicklungen. Für mich gilt: Kunst statt Deko!

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Weitere Informationen zum Kunstpreis unter:
www.awardforvisualarts.de