Ansgar Dressler: Die duale Sprache der Kunst

Ansgar Dressler: Die duale Sprache der Kunst

Ansgar Dresslers künstlerischer Werdegang ist ebenso facettenreich wie sein Leben. Geboren 1970 im Westmünsterland, wuchs er in einer wohlgeordneten Welt auf, die ihm zunächst eine klare Richtung vorgab. Doch der tiefgreifende frühe Tod seines Vaters und der schwere Kampf um seine große Liebe ließen diese geordnete Welt ins Wanken geraten. Seine Suche nach innerer Balance führten ihn schließlich an einen Wendepunkt: Anstatt an den Schwierigkeiten zu zerbrechen, entschied sich Dressler, seine Kunst zu einem Werkzeug der Heilung und Transformation zu machen.

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?

Die Kunst begleitet mich, solange ich mich erinnern kann. Schon in meiner Kindheit war das Malen ein natürlicher Ausdruck für mich – eine Möglichkeit, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren und auf eine Weise sichtbar zu machen, die Worte oft nicht erfassen konnten. Mit der Zeit wurde mir immer bewusster, dass Kunst für mich nicht nur ein Hobby, sondern eine Notwendigkeit ist. Sie gibt mir Raum, Emotionen zu kanalisieren und zu verarbeiten.
Ein Schlüsselmoment in meiner künstlerischen Entwicklung führte zur Entdeckung meiner eigenen Technik. Es war, als hätte ich eine Sprache gefunden, die nur ich spreche, mit der ich mich aber trotzdem allen mitteilen kann – eine Art, Emotionen in Farbe und Form zu übersetzen, die ganz natürlich aus mir herausfloss. Ab diesem Moment wusste ich, dass ich meinen eigenen Weg in der Kunst gehen muss.

"Ich möchte mit meiner Kunst Räume schaffen, in denen Menschen ihre wahre Essenz entdecken."

Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?

Meine größte Inspirationsquelle sind meine eigenen Emotionen. Ich bin ein sehr feinfühliger und emotionaler Mensch und spüre Stimmungen und Energien oft intensiver. Diese Emotionen in mir wollen und müssen verarbeitet werden, damit sie mich nicht überwältigen – und die Malerei gibt mir genau dieses Ventil.
Aber auch äußere Einflüsse spielen eine Rolle: die Natur mit ihren endlosen Farbnuancen, das Licht zu verschiedenen Tageszeiten, Musik, die mich tief berührt, oder auch Begegnungen mit Menschen, deren Geschichten mich bewegen. Manchmal reicht ein einzelner Moment, ein Blick oder eine Melodie, um in mir den Drang auszulösen, ein Bild zu erschaffen.

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?

Meine Kunst dreht sich um das Unsichtbare – um Emotionen, innere Zustände, Energien. In meiner „Spirits of Skies“ Serie verarbeite ich kraftvolle Emotionen, die sich sowohl eruptiv als auch sanft auf der Leinwand entfalten. Diese Werke sind voller Dynamik, sie spiegeln Freude, Wut, Leidenschaft oder Sehnsucht wider. Ich liebe es, Gegensätze zu erkunden – Licht und Schatten, Chaos und Harmonie, Stille und Bewegung.
Meine „Spaces for the Traveling Mind“ Serie hingegen ist eine Einladung zur Reflexion. Hier geht es um mentale Räume, um innere Reisen, die der Betrachter auf seine ganz eigene Weise erleben kann. Kunst hat für mich die Kraft, Menschen auf einer tiefen, nicht greifbaren Ebene zu berühren. Ich möchte mit meinen Werken nicht nur meine eigene Gefühlswelt ausdrücken, sondern dem Betrachter auch die Möglichkeit geben, sich selbst darin wiederzufinden.

"Durch Kunst als verbindende Sprache möchte ich ein tieferes Miteinander ermöglichen."

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Es gibt einen Moment im Malprozess, in dem das Bild beginnt, mit mir zu sprechen – eine Art stiller Dialog zwischen mir und der Leinwand. Anfangs ist da nur eine Idee, eine Emotion, die ich in Farben übersetze. Doch je mehr ich in das Werk eintauche, desto mehr übernimmt das Bild die Führung. Ich liebe dieses Gefühl, wenn sich alles fügt, wenn Chaos sich zu einer Komposition formt.
Besonders faszinierend ist für mich die Balance zwischen Kontrolle und Zufall. Ich arbeite mit Techniken, die bewusst unvorhersehbare Elemente einbringen – Farbschichten, die sich unkontrolliert vermischen, Texturen, die durch Bewegung entstehen. Es ist ein Wechselspiel zwischen gezielter Steuerung und dem Vertrauen darauf, dass das Bild sich selbst seinen Weg bahnt.

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Meine Technik ist intuitiv, energetisch und kraftvoll. Ich arbeite mit verschiedenen Methoden des Farbauftrags – von feinen Lasuren bis hin zu impulsiven, dynamischen Bewegungen. Dabei entstehen Effekte, die nicht vollständig planbar sind, was meinen Werken ihre Lebendigkeit verleiht.
Ich könnte meine Technik als „kontrollierten Zufall“ beschreiben: Ich lasse den Farben Raum, sich zu entfalten, aber lenke sie zugleich durch bewusste Entscheidungen. Dieser Prozess macht jedes Werk einzigartig, da es immer eine Wechselwirkung zwischen Intention und spontaner Entwicklung gibt.

Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?

Beides. Ich starte oft mit einer bestimmten Idee – vielleicht einer Farbstimmung, einer Emotion oder einer musikalischen Inspiration. Manchmal habe ich eine grobe Vorstellung davon, wie das fertige Bild wirken könnte. Doch sobald ich beginne, übernimmt der Prozess.
Das Schöne an meiner Technik ist, dass ich mich immer wieder überraschen lasse. Die Farben fließen, reagieren aufeinander, Strukturen entstehen, die ich ursprünglich nicht geplant habe. Oft entwickelt sich das Bild in eine Richtung, die ich vorher nicht erwartet hätte – und genau das liebe ich an meiner Arbeit.

Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?

Der Moment, in dem ich weiß, dass ein Werk vollendet ist, ist schwer zu beschreiben – es ist eine Mischung aus Intuition, Erfahrung und einem inneren Gefühl der Zufriedenheit. Ich betrachte das Bild aus verschiedenen Perspektiven, trete zurück, lasse es auf mich wirken und spüre, ob es noch etwas braucht oder bereits in sich stimmig ist.
Manchmal geschieht es plötzlich, fast wie eine Eingebung: Ich setze letzte Farbnuancen, und auf einmal fühlt sich alles vollkommen an. In anderen Fällen kann es länger dauern, und ich muss mich bewusst zwingen, das Bild für eine Weile ruhen zu lassen. Manchmal sehe ich nach ein paar Tagen oder Wochen mit frischem Blick, dass eine Kleinigkeit fehlt – ein Kontrastelement, eine zusätzliche Farbschicht oder eine sanfte Übergangsfläche.
Ein wichtiger Aspekt für mich ist, dass das Werk nicht überladen wirkt. Jedes Bild muss Raum zum Atmen haben, sowohl für mich als Künstler als auch für den Betrachter, der sich emotional in das Werk hineinfühlen soll.

Night Igniter IV (Spirits Of Skies 096215), 80 x 120 cm

Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?

Kreative Inspiration finde ich in vielen Bereichen – Kunst, Musik, Film, Literatur. Besonders inspirierend sind für mich Künstler wie Gerhard Richter, dessen abstrakte Werke eine unglaubliche Tiefe und Textur haben. Auch die Dualität und Werke von Jeremy Mann faszinieren mich, insbesondere seine atmosphärischen Stadtszenen, die fast traumhaft wirken.
Musik spielt eine zentrale Rolle in meinem kreativen Prozess und gehört immer dazu. Sie beeinflusst meine Stimmung, meine Aktionen, meine Farbauswahl. Ich höre oft Filmmusiken, wie die von Hans Zimmer und seinen Schülern, um in meine Gefühlswelt einzutauchen, aber genauso gerne lauten, energiegeladenen Hardrock, um eine kraftvolle Dynamik in meine Werke zu bringen. Diese Gegensätze finde ich spannend – genauso wie in meiner Kunst, wo ich mit Kontrasten spiele.
Auch Filme und Literatur inspirieren mich, insbesondere Werke mit starken visuellen oder emotionalen Eindrücken. Surreale Filme wie die von Christopher Nolan faszinieren mich, weil sie mit Realität und Wahrnehmung spielen.

Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?

Ja, ich habe einige feste Rituale, die mir helfen, mich auf den Malprozess einzustellen. Eines der wichtigsten Rituale ist die Vorbereitung meiner Farben. Dieser Moment hat fast etwas Zen-haftes – das Mischen, das Fühlen der Pigmente, das Abwägen, welche Farbtöne zusammenwirken sollen. Es ist wie eine Art meditative Einstimmung auf das, was kommt.
Und wie schon gesagt ist die Musik wichtig in meinem Atelier. Ich wähle bewusst eine Playlist aus, die meine Stimmung widerspiegelt und transportiert, und so meinen Prozess lenkt. Was unverzichtbare Gegenstände betrifft, so sind dies bestimmte Malutensilien, die ich besonders gerne benutze – manche davon begleiten mich schon seit Jahren. Und natürlich darf tagsüber ein guter Kaffee nicht fehlen, oder ein edler Rum oder Single Malt in der Abendsession.

Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?

Meine Werke basieren nicht auf direkten Abbildern der Realität, sondern vielmehr auf Emotionen, Erinnerungen und Eindrücken, die ich erlebe oder verarbeite. Ich male nicht, was ich sehe, sondern was ich fühle.
Dennoch gibt es oft Elemente aus der realen Welt, die unbewusst in meine Werke einfließen. Es können Farbstimmungen aus der Natur sein, Lichteffekte, die mich inspiriert haben, oder sogar architektonische Formen, die sich abstrahiert in meinen Bildern wiederfinden. Manchmal verstecke ich kleine Details oder Strukturen, die an etwas Konkretes erinnern, fast wie geheime Spuren für den Betrachter.
Aber letztendlich bleibt meine Kunst immer ein Spiel zwischen Wirklichkeit und Fantasie – sie schafft neue Räume, neue Atmosphären, die der Betrachter mit seinen eigenen Gedanken und Gefühlen füllen kann.

Emotional Release XXVII (Spirits Of Skies 064199), 80 x 80 cm

Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?

Die Titel meiner Werke entstehen oft intuitiv. Manchmal habe ich bereits während des Malens einen Titel im Kopf, manchmal entwickelt er sich erst im Nachhinein, wenn ich das fertige Bild betrachte und überlege, welches Gefühl es transportiert. So finde ich bestimmte Begriffe, die Emotionen oder Stimmungen ausdrücken, spannend. Auch die Musik während des Kreationsprozesses kann mich zu einem passenden Titel inspirieren. 
Ich entscheide mich meist für englische Titel, weil Englisch eine universelle Sprache ist, die von vielen Menschen verstanden wird. Dadurch bleibt meine Kunst international und offen für ein breites Publikum.

Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?

Derzeit arbeite ich an neuen großformatigen oder mehrteiligen Werken für meine Serien „Spirits of Skies“ und „Spaces for the Traveling Mind“. Ich experimentiere mit neuen Techniken, um noch mehr Tiefe und Energie in meine Bilder zu bringen.
Ein besonderer Fokus liegt gerade auf der Erforschung von Farbverläufen und Texturen – wie sich Farben übereinanderlegen, wie Licht mit bestimmten Oberflächen interagiert. Mich reizt es, noch stärker mit Bewegung und Dynamik in meinen Werken zu arbeiten, um das Gefühl von Energie auf der Leinwand spürbar zu machen.
Zudem plane ich eine neue Serie, die sich mit Kontrasten zwischen Licht und Dunkelheit befasst – sowohl visuell als auch thematisch. Es ist eine spannende Phase voller neuer Ideen und kreativer Herausforderungen.

Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?

Mein Ziel ist es, meine Kunst international zu präsentieren. Ich würde gerne in renommierten Galerien in Städten wie New York, Berlin oder London ausstellen, weil diese Orte eine pulsierende Kunstszene haben und ein Publikum, das sich intensiv mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzt.
Besonders spannend finde ich Kunstmessen wie die Art Basel oder die Frieze Art Fair, da sie eine Plattform für den Austausch mit Sammlern, Kuratoren und anderen Künstlern bieten. Aber auch alternative Kunsträume oder ungewöhnliche Locations reizen mich – Orte, an denen meine Kunst in einem neuen Kontext wahrgenommen werden kann.
Mir ist es wichtig, meine Werke Menschen zu zeigen, die sich durch meine Kunst emotional angesprochen fühlen. Ich möchte eine Verbindung schaffen – zwischen meiner Kunst und den Gefühlen der Betrachter.

Veiled I, 120 x 100 cm

Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?

In fünf Jahren sehe ich mich als etablierter Künstler mit einer starken internationalen Präsenz. Ich möchte meine Werke in bedeutenden Ausstellungen zeigen, mit Galerien und Kunstinstitutionen zusammenarbeiten und Sammler auf der ganzen Welt erreichen.
Mein Ziel ist es, noch größere und intensivere Werke zu schaffen, die Menschen emotional berühren. Ich möchte, dass meine Kunst eine Brücke zwischen Emotion und Ausdruck bildet, dass sie Betrachtern die Möglichkeit gibt, ihre eigenen Gefühle darin wiederzufinden.
Außerdem könnte ich mir vorstellen, mit anderen Künstlern oder kreativen Disziplinen zu kooperieren – sei es im Bereich Design, Musik oder auch digitale Kunst. Kunst ist ein ständiger Entwicklungsprozess, und ich bin gespannt, wohin mich mein kreativer Weg noch führen wird.

No items found.
Weitere Informationen und verfügbare Werke unter:
www.ansgardressler.com