Kerstin Sager: Vom Tenniscourt zur Leinwand

Kerstin Sager: Vom Tenniscourt zur Leinwand

Nach einer sportlichen Laufbahn führte eine unerwartete Wende Kerstin Sager zu ihrer wahren Leidenschaft: der Malerei. Inspiriert von norddeutscher Landschaft und menschlichen Emotionen, kreiert sie detailreiche Porträts und atmosphärische Gemälde voller Tiefe und Farbintensität. Ihre Werke verbinden gekonnt Realismus mit abstrakten Elementen und feiern die Schönheit im Zusammenspiel von Präzision und Gefühl.

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?

Den Wunsch hegte ich bereits viele Jahre, doch für die Umsetzung brauchte es Mut, Entschlossenheit und vielleicht auch das berühmte Tal der Tränen, durch das ich zunächst hindurch musste. Sobald ich mich dafür entschieden hatte, fanden alle losen Enden zusammen - wie durch ein Wunder - und ich habe es nie bereut.
Die Malerei zu meinem Lebensmittelpunkt zu machen erfüllt mich mit großer Zufriedenheit. Ich bin frei in vielerlei Hinsicht. Mein Tagesablauf ist selbstbestimmt - die Intensität mit der ich mich herausfordere und meine Energie einsetze kann mit meinem ganz persönlichen Befinden in Einklang gebracht werden. Das ist so viel wert.
Mein Sinn für Ästhetik und das Verlangen nach Schönheit wird gestillt und meine Arbeit bereitet mir sehr viel Freude. Für mich gibt es keinen besseren Beruf.
Selbstverständlich gibt es auch Schattenseiten des Künstlerdaseins, das will ich nicht schön reden. Da gibt es Enttäuschungen und Selbstzweifel, viel Ungewissheit, Kampf und Frust. Das lernt man auszuhalten und zu überwinden. Das bewusste Erleben solcher Phasen vertieft letztendlich meinen kreativen Prozess, schärft am Ende meine Sinne und ermöglicht mir zu wachsen, mich zu verbessern und eine tiefere Verbindung zu meinen Werken aufzubauen.

"Ich achte auf das Positive und entscheide mich bewusst für die freudigen Facetten des Lebens, die zum Thema meiner Malerei werden."

Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?

Alltägliches, Neues, Farben, Natur, Menschen, Emotionen …. Wo soll ich anfangen und wo aufhören?

Ein großes Quell der Inspiration ist die wunderschöne Küstenlandschaft an der Flensburger Förde, in der ich seit drei Jahren zuhause bin. Gefühlt bin ich schon jeden Quadratmeter der Küstenwege abgelaufen und umso glücklicher macht es mich, wenn ich eine neue schöne Ecke entdecke, die ich bislang noch nicht kannte. Diese ausgedehnten Spaziergänge sind für mich existenziell. Um Augenblicke und Atmosphäre festhalten und dieses Glück teilen zu können, male ich sehr gern Landschaftsbilder und habe erst vor Kurzem auch die Pleinair-Malerei für mich entdeckt. Darüber hinaus fasziniert mich der Mensch in all seinen Facetten - Gesichter und Körper - Ausdruck und Haltung. Am Ende geht es aber immer um Emotionen. Ich suche bewusst nach Motiven, die etwas in mir auslösen, wo der Funke überspringt. Die Erkenntnis, welches Thema mich hier gerade umtreibt erwächst dennoch oft erst später - wenn das Bild gemalt ist.

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?

Auf der Suche nach Klarheit und größtmöglicher Gelassenheit hilft es mir, wenn ich bewusst nach positiven Aspekten Ausschau halte. Ich übe mich in Achtsamkeit. Es beschäftigt mich sehr, wie Emotionen ausgelöst und verarbeitet werden, wie Wahrnehmung unsere Gesundheit beeinflusst und welche Schlüsse wir daraus für uns ziehen. Mir tut es gut, Schönes um mich herum wahrzunehmen und daraus neue Perspektiven und Lösungsansätze zu gewinnen. Den Betrachtern meiner Werke möchte ich auch diese gegebenenfalls neuen Blickwinkel ermöglichen.
So überrascht es vermutlich nicht, dass beispielsweise Reflexion oder Lebensfreude immer wiederkehrende Inhalte meiner Malerei sind. Und diese Emotionen können meine Kunden auch nach vielen Jahren noch beim Anblick eines gekauften Bildes abrufen.

"Meine Werke ermutigen dazu, Mensch und Natur wertfrei zu betrachten und die Schönheit des Alltäglichen zu würdigen."

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Es ist der Moment, wenn sich die Zufriedenheit mit dem Geschaffenen einstellt … der Moment für den sich der ganze Aufwand und manchmal auch der ganze Kampf lohnt. Im Schaffensprozess passieren Fehler, Missgeschicke, die mühsam korrigiert werden, manchmal muss man zerstören und neu beginnen, ggf Blockaden überwinden. Einige Details brauchen unzählige Anläufe, bis sie gelingen. Aber wenn man sich an all diesen Unwägbarkeiten abarbeitet, lernt man zum einen dazu und zum anderen fühlt es sich einfach gut an, am Ende daran gewachsen zu sein.

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Ich verwende unterschiedliche Techniken, je nach Sujet. Meine Landschaftsbilder haben beispielsweise weniger abstrakte Anteile als die figürlichen Werke oder Porträts.
Bei meinen Kaltwachs-Öl-Werken beginne ich in einem aufwendigen Prozess mit dem Auftragen mehrerer Farbschichten, die ich jeweils trocknen lassen muss. In dieser Phase entsteht eine absolut abstrakte Untermalung, bei der die Farbflächen nach meinem spontanen Empfinden angeordnet werden. In diesem Stadium erhält das Werk seine Seele. Es kommen unterschiedliche Werkzeuge wie Spachtel, Walzen, Schablonen oder Kratzer zum Einsatz, mit denen ich Strukturen auf der Oberfläche erschaffe.
Das realistische Motiv entsteht erst später und muss sich gegenüber der teils farbintensiven Untermalung durchsetzen. Hierbei kommt es immer wieder zu schönen Zufällen im Zusammenspiel von abstraktem Untergrund und gegenständlichem Motiv. Für mich ist es wichtig eine Balance zwischen den realistischen und abstrakten Anteilen im Bild herzustellen, ein spannender Akt, bei dem ich mich auf meine Intuition verlasse.

"Kunst ist für mich eine Brücke zwischen dem, was wir sehen und dem, was wir achtsam spüren - zwischen Realismus und Abstraktion."

Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?

In der Regel habe ich eine klare Vorstellung von dem, was ich auf die Leinwand bringen möchte. Es gibt aber immer Anteile in meinen Werken, die aus dem Unterbewussten an die Oberfläche gelangen - das macht es auch für mich selbst so spannend. Ich habe dann die manchmal nicht ganz einfache Aufgabe zu entscheiden, was davon brauchbar ist und weiterentwickelt werden kann, vielleicht sogar eine zusätzliche Aussage mitbringt und was wieder weichen muss, weil es unter Umständen stört.


Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?


Die letzten 10 % des Bildes benötigen oft 50 % des Gesamtaufwands. Mit der Zeit habe ich mir angewöhnt ein „nahezu fertiges Werk“ erst einmal ins Wohnzimmer zu stellen und intensiv und mehrfach zu betrachten. Dann folgen meist kurzfristig Überarbeitungen und nach weiteren Revisionen ggf erneute Korrekturen bis zum letzten Pinselstrich. Vereinzelt gibt es aber auch die schwierigen Fälle, bei denen es Monate braucht, bis einem auffällt, was stört oder was fehlt. Letztlich entscheide ich immer aus dem Bauch heraus.

Perspektivwechsel 90x90cm

Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?


Da fallen mir spontan folgende KünstlerInnen ein: Gabriele Münter, sowie zeitgenössische KünstlerInnen wie zum Beispiel Tania Rivilis oder Rosso Emerald Crimson und auch die Norddeutschen Realisten. Inspirierende Musik, die ich gern in meinem Atelier höre, sind für mich Songs aus den 70ern - vielleicht aus nostalgischen Gründen. Ich mag aber auch aktuelle Singer Songwriter und gern begleitet von Gitarrenmusik. Ausserdem gefällt mir der tanzbare Rhythmus von Soulmusik, der mich in Stimmung bringt.

Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?


Eine gewisse Ritualisierung hat sich hinsichtlich des Anmischens meiner Farben eingestellt. Die Anordnung der Grundfarben auf meiner Glaspalette ist immer gleichbleibend. Im nächsten Schritt bediene ich mich einer bestimmten App, um die gewünschte Farbpalette für mich klar und deutlich sichtbar zu machen und dann mische ich mir genau diese - in der Regel zehn Farbtöne mit meinen Ölfarben individuell zusammen. 
Als unverzichtbaren Gegenstand würde ich mittlerweile den massiven Planschrank bezeichnen, der letztes Jahr mit tatkräftiger Unterstützung der Nachbarn die Treppe hoch in mein Atelier geschleppt wurde. Der Planschrank stammt aus dem Kunstraum einer Schule, die geschlossen wurde und bietet reichlich Platz für meine Papierarbeiten und all das Material, welches sich im Laufe der Zeit angesammelt hat. Oben auf der Schrankoberfläche befindet sich meine Farbpalette sowie die Pinselsammlung, die Farbtuben, Malmesser, Spachtel und vieles mehr. Dieses Ateliermöbel bildet quasi das Zentrum meines Schaffensraumes.

Swing 100x70cm

Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?


Meine Motive entstammen aus dem wirklichen Leben. Meine Landschaften sind meist aus meiner unmittelbaren Umgebung. Für Porträt und Figur wähle ich lizenzfreie oder eigene Referenzfotos oder nutze, wenn sich die Chance ergibt auch mal ein Live-Model. Bei der Farbwahl kommt jedoch oft meine Fantasie ins Spiel.

Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?


Bei der Titelvergabe für meine Werke gehe ich unterschiedlich vor. Teils habe ich schon zu Beginn eine Idee, eine Eingebung, für die dann noch die treffende Formulierung gefunden werden muss. Manchmal lasse ich mich aber auch von den Ideen der Betrachter zu einem Titel inspirieren. Es kommt vereinzelt sogar vor, dass ich ein Werk im Verlauf umbenenne, weil ein noch besserer und passenderer Titel auftaucht.

Imagine 100x120cm

Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?


Aktuell befindet sich eine 1,20x1,00-Meter-Leinwand auf meiner Staffelei. Die Grundierung ist bereits fertig und enthält ein Stück meiner Seele. Geplant ist eine sommerliche Küstenlandschaft, in der ich eine Symbolik verarbeiten möchte, die meine aktuelle Lebenssituation beschreibt. Es wird ein sehr persönliches Werk.

Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?


Ich folge recht vielen Galerien auf Instagram, um mich über zeitgenössische Kunst auf dem Laufenden zu halten. Dabei habe ich eine Lieblings-Galerie, die mir aufgrund ihrer Künstlerauswahl sowie dem sympathischen Auftritt der Galeristin und ihrem Team gefällt: Galleri Ramfjord in Oslo. Dort ausstellen zu dürfen, wäre ein Traum für mich.

Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?

In fünf Jahren sehe ich mich als eine etablierte Künstlerin, die in der Region einen gewachsenen Kundenkreis aufgebaut hat. Durch zahlreiche Ausstellungen und spannende Kooperationen konnte ich meine Werke einem breiteren Publikum präsentieren und meine künstlerische Stimme festigen. Meine professionelle Online-Präsenz wird in dieser Zeit ebenfalls gewachsen sein, und ich freue mich darauf, ein engagiertes Publikum zu erreichen, das meine Leidenschaft für die Kunst teilt. Meine Werke werden nicht nur meine persönliche Handschrift tragen, sondern auch an Ausdrucksstärke gewonnen haben, sodass sie nicht nur Kunstwerke, sondern auch emotionale Erlebnisse sind. Ich strebe danach, mit meiner Kunst Menschen zu berühren und sie zum Nachdenken anzuregen, und ich bin sehr gespannt auf die Reise, die vor mir liegt.

Photos by: Beate Zoellner

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Weitere Informationen und verfügbare Werke unter:
www.kerstinsager.de