Die tiefe Verbindung von Körper und Geist: Angela Höchtl im Interview
Durch Unfall und Krankheit verlor Angela innerhalb von nur drei Jahren beinahe zweimal einen ihrer Söhne. Diese Erfahrungen führten zu einer tiefen Auseinandersetzung mit dem Leben und schärften ihr Bewusstsein für die Kostbarkeit der Zeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Durch diese Herausforderung hat Angela eine einzigartige Kraft in sich wecken können und vermittelt diese mit den einzigartigen Perspektiven ihres Lebens nun in ihrer Malerei.
Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?
Meine künstlerische Reise begann in der Kindheit, ich liebte es mich kreativ zu betätigen. Doch wie das Leben so spielt, traten berufliche und familiäre Verpflichtungen in den Vordergrund und meine künstlerische Ader ruhte für lange Zeit. 2018 wurde alles anders, als mein Sohn schwer erkrankte. Drei Jahre zuvor hatte er schon einen schweren Unfall, den er nur knapp überlebt hatte. In dieser dunklen Zeit fand ich in der Kunst einen Weg, um das Erlebte zu verarbeiten und meine Gefühle auszudrücken. Die Malerei wurde zu meinem Anker, ein Zufluchtsort, in dem ich Trost fand und meine Ängste überwinden konnte. In diesen Momenten der Kreativität erkannte ich die transformative Kraft der Kunst. Sie war mehr als nur ein Hobby – sie wurde zu einem wesentlichen Bestandteil meines Lebens, eine Quelle der Stärke und des inneren Friedens. Heute ist die Kunst aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken. Sie ist ein ständiger Begleiter, der mich immer wieder aufs Neue herausfordert und inspiriert. Wenn ich eine Weile nicht male, spüre ich ein Ungleichgewicht in meinem Inneren. Die Kunst ist für mich zu einer Notwendigkeit geworden, ein Ausdruck meiner Seele und meiner tiefsten Gefühle.

Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?
Mich inspirieren zuallererst die Menschen, denen ich begegne. Ihre Geschichten, ihre Emotionen, ihre Persönlichkeiten – all das finde ich unglaublich faszinierend. Ich beobachte gerne, wie Menschen miteinander interagieren, wie sie lachen, weinen oder einfach nur still dasitzen. In ihren Gesichtern und Bewegungen sehe ich oft eine tiefe Schönheit, die ich in meinen Porträts oder abstrakten Werken zum Ausdruck bringen möchte. Manchmal ist es aber auch einfach die Freude am kreativen Prozess selbst, die mich antreibt. Das Gefühl, etwas Neues zu schaffen, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, ist unglaublich befriedigend. Es ist wie ein Spiel mit Farben und Formen, bei dem ich immer wieder neue Möglichkeiten entdecke. Diese Neugier und Experimentierfreude ist eine ständige Quelle der Inspiration.

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?
Meine künstlerische Arbeit ist stark von meinem Innenleben geprägt, meinen Gedanken und Emotionen. Diese inneren Zustände beeinflussen meine Themenwahl, meine Kompositionen und meine Farbpalette. Ein wichtiger Faktor dabei sind meine persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen. Diese Beziehungen dienen mir als Inspirationsquelle und bieten mir Einblicke in die menschliche Natur, die ich in meiner Kunst verarbeite. Ich verfolge einen intuitiven Ansatz in meinem Schaffensprozess. Oftmals beginne ich mit einer vagen Vorstellung oder einem Gefühl, das sich dann im Laufe des Arbeitsprozesses konkretisiert. Dabei lasse ich mich von meinen inneren Impulsen leiten und vertraue auf meine Kreativität. Die Kunst dient mir als Mittel zur Selbstentdeckung. Durch die Auseinandersetzung mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen in meinen Werken lerne ich mich selbst besser kennen. Ich sehe meine Kunst auch als eine Art der Kommunikation. Ich möchte mit meinen Werken einen Dialog mit dem Betrachter anregen und ihn dazu einladen, sich mit den dargestellten Themen auseinanderzusetzen. Dabei geht es mir nicht darum, bestimmte Botschaften zu vermitteln, sondern vielmehr darum, einen Raum für Interpretationen und Emotionen zu schaffen.

Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?
Was mich am kreativen Prozess am meisten begeistert, ist dieses Gefühl der unbegrenzten Möglichkeiten, wenn ich vor einer leeren Leinwand stehe. Es ist wie die freudige Erwartung eines Kindes, wenn es an Weihnachten auf seine Geschenke wartet. Diese Spannung, ob sich meine Vorstellungen in etwas Sichtbares verwandeln werden, begleitet mich durch den gesamten Schaffensprozess. Es ist eine aufregende Reise, ein Wechselspiel zwischen freudiger Erwartung und tiefer Entspannung, zwischen Kontrolle und Loslassen. Dabei haben auch unerwartete Wendungen und vermeintliche "Pannen" ihren Platz. Oftmals sind es gerade diese unvorhergesehenen Ereignisse, die mich voranbringen und zu neuen, überraschenden Ergebnissen führen. Es ist die Freude am Entdecken und die Möglichkeit, etwas Neues zu erschaffen, die den kreativen Prozess für mich so besonders und lohnend machen.

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?
Meine künstlerische Handschrift ist geprägt von einer ausdrucksstarken Farbgebung, die sowohl realistische als auch abstrakte Elemente vereint. Dabei lasse ich mich von meinen Emotionen leiten, wodurch jedes Werk zu einem Spiegelbild meiner inneren Welt wird. Am Anfang herrscht oft ein scheinbares Chaos auf der Leinwand, ein Wirrwarr von Farben und Formen. Doch mit jeder weiteren Schicht beginne ich, dieses Chaos zu ordnen, Strukturen zu schaffen und einen Sinn in dem scheinbar Ungeordneten zu finden. Eine Arbeit ist für mich dann vollendet, wenn es eine eigene Seele zu besitzen scheint. Es ist ein Moment der Erkenntnis, wenn ich spüre, dass das Werk mehr ist als nur Farbe auf Leinwand. Es ist ein Ausdruck meiner innersten Gedanken und Gefühle, der eine Verbindung zum Betrachter herstellen kann. Im Laufe der Zeit habe ich meine Technik verfeinert und bin zu einer mehrschichtigen Arbeitsweise übergegangen. Diese Methode ermöglicht es mir, flexibler und agiler zu sein und den gewünschten Ausdruck schneller zu erreichen. Es ist ein intuitiver Prozess, der es mir erlaubt, meine Kreativität frei fließen zu lassen.

Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?
Meistens ist es eine Mischung aus beidem. Ich habe eine vage Vorstellung, ein Gefühl oder eine Idee, die mich inspiriert. Manchmal ist es ein bestimmtes Bild, das ich im Kopf habe, oder eine Emotion, die ich ausdrücken möchte. Oftmals dienen mir auch meine selbstgefertigten Fotografien als Inspiration. Sie fangen bestimmte Momente, Stimmungen oder Details ein, die ich in meinen Gemälden weiterentwickeln möchte. Aber ich lasse mich dann im Laufe des Prozesses auch von meiner Intuition leiten und bin offen für Überraschungen. Manchmal entwickelt sich das Werk dann in eine Richtung, die ich mir am Anfang nicht hätte vorstellen können. Aber gerade das macht den kreativen Prozess so spannend und herausfordernd. Es ist ein Wechselspiel zwischen Planung und Spontanität, zwischen Kontrolle und Loslassen.

Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?
Manchmal hilft es mir, das Werk für eine Weile zur Seite zu stellen und es dann mit frischem Blick wieder anzuschauen. Es ist, als ob ich einen Schritt zurücktrete und das Bild aus einer neuen Perspektive betrachte. Dadurch können Details oder Aspekte sichtbar werden, die ich zuvor nicht wahrgenommen habe. Ein frischer Blick ermöglicht es mir, das Werk mit größerer Objektivität zu beurteilen und zu entscheiden, ob es noch weiterer Arbeit bedarf oder ob es bereits seine endgültige Form erreicht hat. Und dann ist da noch dieses Gefühl, wenn ich das fertige Werk betrachte und spüre, dass es eine eigene Seele besitzt.
Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?
Mich inspiriert die Wiener Moderne, die Wiener Werkstätte und die Wiener Secession. Diese Epoche, die von Aufbruchstimmung und Experimentierfreude geprägt war, hat mich tief beeindruckt. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der die Menschen nach neuen Wegen suchten, um sich auszudrücken und ihre Individualität zu entfalten. Die Künstler dieser Zeit, allen voran Gustav Klimt, Egon Schiele und Koloman Moser, haben sich getraut, mit den Konventionen zu brechen und neue Wege zu gehen. Sie haben die Kunst von den Fesseln des Realismus befreit und eine neue Ära der Kreativität eingeläutet. Ihre Werke sind geprägt von einer ausdrucksstarken Farbgebung, expressiven Formen und einer tiefen emotionalen Intensität. Sie haben sich nicht gescheut, auch dunkle und schwierige Themen anzusprechen, wie zum Beispiel die menschliche Psyche, die Sexualität oder den Tod. Ihre Kunst ist oft melancholisch, sehnsüchtig und schmerzvoll, aber auch voller Leidenschaft, Lebensfreude und Hoffnung. Ich bewundere ihren Mut, ihre Leidenschaft und Vision, die sie in ihren Werken zum Ausdruck gebracht haben.

Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?
Bevor ich mit der Arbeit im Atelier beginne, gibt es ein paar Dinge, die für mich einfach dazugehören. Zuerst gehe ich mit meinen Hunden spazieren. Die Bewegung in der Natur hilft mir, den Kopf freizubekommen, neue Ideen zu entwickeln und mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Danach kehre ich ins Atelier zurück und wähle die passende Musik aus. Klassische Musik hilft mir dabei, in einen Zustand der Ruhe und Konzentration zu kommen. Manchmal brauche ich aber auch andere Musikrichtungen, um mich emotional auf das jeweilige Werk einzustellen. Und natürlich darf mein Räucherwerk nicht fehlen, es schafft eine angenehme und inspirierende Atmosphäre. Wenn ein Werk dann fertig ist, ist mir der Austausch mit meinem Mann sehr wichtig. Seine Meinung und Ehrlichkeit schätze ich sehr.
Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?
Meine Werke entstehen aus einer Mischung aus Realität und Fantasie. Ich lasse mich von den Dingen inspirieren, die mich umgeben, von Menschen, Orten und Ereignissen. Aber auch meine eigenen Gedanken, Gefühle und Träume spielen eine wichtige Rolle. Es ist ein ständiger Austausch zwischen dem Außen und dem Innen, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren. Ich versuche, diese beiden Welten in meinen Werken miteinander zu verbinden und etwas Neues zu schaffen.

Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?
Die Titel meiner Kunstwerke entstehen auf ganz unterschiedliche Weise, es gibt nicht die eine, typische Vorgehensweise. Manchmal habe ich von Anfang an einen Titel im Kopf, der sich dann im Laufe des Schaffensprozesses mit dem Werk verbindet und es vielleicht sogar beeinflusst. In anderen Fällen entwickelt sich der Titel erst, wenn das Werk fast fertig ist oder sogar erst danach.Oft ist es ein Gefühl, eine Stimmung, eine Idee, die ich mit dem Werk verbinden möchte. Ich überlege dann, wie ich diese Essenz in einem kurzen, prägnanten Titel einfangen kann.
Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?
Ich arbeite momentan an einer neuen Werkreihe, in der ich mich mit traditionellen Bildthemen, wie beispielsweise religiösen Motiven, auseinandersetze. Mich reizt die Herausforderung, diese Themen in einem neuen, zeitgemäßen Kontext zu interpretieren. Wie können wir als moderne Menschen diese alten Geschichten und Symbole verstehen und welche Bedeutung haben sie für uns heute? Diese Fragen beschäftigen mich bei meiner Arbeit. Ich versuche, die traditionellen Bildthemen mit neuen Augen zu sehen und ihnen eine neue Bedeutung zu geben. Dabei lasse ich mich von meiner eigenen Intuition und Kreativität leiten. Meine neue Werkreihe soll eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Gegenwart sein und den Betrachter dazu anregen, über die großen Fragen der Menschheit nachzudenken.

Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?
Ich habe keinen bestimmten Ort im Auge, an dem ich unbedingt ausstellen möchte. Natürlich wäre es ein Traum, meine Werke eines Tages in einem Museum zu sehen, aber ich möchte mich nicht auf eine bestimmte Galerie oder Institution festlegen. Mir ist es wichtiger, meine Kunst weiterzuentwickeln und sie mit einem breiten Publikum zu teilen, egal wo das sein mag. Ich bin offen für verschiedene Möglichkeiten und freue mich darauf, meine Arbeit an ungewöhnlichen Orten zu präsentieren und neue Wege zu gehen.
Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?
Als Künstler ist es mein ständiges Bestreben, mich weiterzuentwickeln und meine Fähigkeiten zu verbessern. In den nächsten fünf Jahren möchte ich mich daher vor allem auf meine künstlerische Entwicklung konzentrieren. Ich sehe mich dabei, meine Technik zu verfeinern, neue Materialien und Ausdrucksformen zu erkunden und meinen eigenen Stil weiter herauszubilden. Natürlich kann man nie genau wissen, wohin einen der künstlerische Weg führt. Ich lasse mich gerne von neuen Erfahrungen und Einflüssen inspirieren und bin offen für unerwartete Wendungen. Wichtig ist mir dabei, dass ich meine Leidenschaft für die Kunst bewahre und meiner inneren Stimme folge.