Interview mit Sandra Plaar

Interview mit Sandra Plaar

Eine lebensgefährliche Krankheit im Alter von 23 Jahren verändert Sandra Plaars Leben radikal. Sie bricht das Jura-Studium ab, wird Lehrerin, später Kunsttherapeutin und betätigt sich als Autorin zweier Bücher. Doch erst in der Kunst findet sie ihre innere Heimat. Sie erfüllt sich ihren Lebenstraum, sich ganz der Kunst hinzugeben. Ihre Ausstellungen wurden ein großer Erfolg.

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?

Eigentlich wollte ich bereits nach dem Abitur Künstlerin werden. Eigentlich. Doch Selbstzweifel und vorgefasste Glaubensätze wie „Kunst ist brotlos, lern was Gescheites!“ obsiegten und ließen mich den Weg der vermeintlichen Sicherheit gehen. Doch erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. Eine lebensgefährliche Krankheit im Alter von 23 Jahren ändert mein Leben radikal. Ich breche das Jurastudium ab, werde Lehrerin, später Kunsttherapeutin und betätige mich als Autorin zweier Bücher. Doch erst in der Kunst finde ich meine innere Heimat. Mit 50 erfülle ich mir den Lebenstraum, mich ganz der Kunst hinzugeben. Ganz nach dem Motto: Es ist nie zu spät, seinen Traum zu leben.

"Die Bildsprache der Kunst ist ein Türöffner für das Unaussprechliche." - Sandra Plaar


Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?

Als Person mit einer chronischen Krankheit wurde mein Lebensweg und meine Tätigkeit weitestgehend durch meinen Körper bestimmt. Kunst gibt mir die Möglichkeit, mehr als diese Krankheit zu sein. Sie gibt mir die Möglichkeit, aus der körperlichen Beengtheit auszubrechen, mich als das zu äußern, was ich wirklich bin. In der Kunst erlebe ich absolute Freiheit. Sie lässt mich annehmen, was ist und macht mich wieder ganz. Diese innere Verbundenheit finde ich ebenfalls in der Schönheit und Vollkommenheit der Natur, die mein kreatives Schaffen stark beeinflusst. Natur wertet oder urteilt nicht. Sie ist einfach. Ein ewiger Kreislauf aus ständigem Wandel und Weiterentwicklung.

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?

Kunst ist für mich ein Ort der Selbstbegnung, wo die innere Freiheit im Fokus steht, um sich gestärkt weiterzuentwickeln. In einer Welt, deren Rhythmus sich zunehmend beschleunigt, brauchen wir Momente der stillen Achtsamkeit, in der wir uns wieder mit dem WESENtlichen verbinden können, um uns neu zu orientieren und zu wachsen. Themen wie“ Selbstzweifel und über sich hinauswachsen“, übrigens ein typisches Frauenthema, greife ich mit meiner experimentellen Herangehensweise auf. Auf der Suche nach immer neuen Ausdrucksmöglichkeiten lote ich die Grenzen des Möglichen aus, zeige, dass es sich lohnt, seine eigenen Beschränkungen zu durchbrechen, um mit jeder gemeisterten Hürde sein Potenzial zur Selbstentfaltung zu entdecken. 

"Kunst befreit Stärke. Kunst bestärkt Freiheit." - Sandra Plaar



Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Nun, ich denke für mich ist es der Aspekt der absoluten Freiheit im künstlerischen Ausdruck. Kunst bietet mir die ideale Spielwiese, mich vorbehaltslos auszuprobieren. Ich alleine bestimme den Rhythmus, den Raum und die Zeit, in der meine Innenwelt auf der Leinwand Gestalt annimmt. Ich bin die einzige Richterin. Alles darf, nichts muss. Und so halte ich die alleinige Schaffenskraft einer neuen Welt in meinen Händen. Vollende das Werk, wenn sich innere Ruhe, Zufriedenheit und das Gefühl des Angekommen Seins in mir ausbreitet. 

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Wenn etwas meine Technik wohl treffend beschreibt, dann ist es wohl der Ausdruck „experimentell“. Meine unbefangene Herangehensweise im Umgang mit verschiedensten Malmitteln und Techniken, ist sinnbildlich für mein Naturell der ewig Suchenden, die angespornt durch eine unersättliche Neugier, die Herausforderung braucht. 

Sandra Plaar im Atelier


Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?

Der Schöpfungsprozess beginnt intuitiv aus dem Bauch heraus und folgt keiner klaren Vorstellung dessen, was entstehen soll. Vorgängige Skizzen sind mir ein Gräuel und blockieren mich. Meist entscheide ich mich lediglich für ein bis zwei Farben. Es folgt ein intensiver Prozess von Scheitern und Neuwerden. Ich beobachte, verfeinere, verwerfe oder erhalte am Leben. 


Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?

Eine spannende Frage. Zu wissen, wann ein Kunstwerk vollendet ist, ist nicht immer ganz einfach. Manchmal verpasse ich den Moment, will zu viel und werde aufs Startfeld zurückversetzt. Früher frustrierten mich solche Augenblicke, nagten an meinem Selbstbewusstsein als Künstlerin. Heute habe ich gelernt, dass es in der Kunst keine Fehler gibt. Dass dies vielmehr fruchtbare, kleine Umwege sind auf dem Weg zum Ziel und einem Bild die Tiefe und Stärke verleihen. Wenn es dann innerlich ganz still wird, wenn das, was auf die Leinwand geflossen ist, mich tief in meinem Inneren berührt, dann weiß ich, dass ich fertig bin.

Sandra Plaar im Atelier


Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?

Als Künstlerin fasziniert mich Frida Kalho. Sie ist für mich Verkörperung einer starken Frau, die sich durch ihre Krankheit nicht unterkriegen ließ. Ihre Bilder sind Inbegriff weiblicher Stärke und Ausdruckskraft. Dieselbe Bewunderung teile ich für Stephen Hawking, der aus seiner zunehmenden körperlichen Gefangenheit mental ausbricht, den Blick stets auf die Sterne gerichtet, die Grenzen der Physik durchbricht.
Gefühlt habe ich hunderte spirituelle Bücher gelesen. Besonders eingeprägt hat sich mir das Werk „The Secret“ und dessen Verfilmung. Zudem haben die Werke von John Streleck, unter anderem „Das Café am Rande der Welt“ oder „The Big Five for Live“, meine Lebensanschauung geprägt.


Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?

Der kreative Prozess verläuft bei mir sehr chaotisch. Was mit einem Pinsel beginnt, weitet sich nicht selten auf zehn weitere aus und endet beim Malen mit den Händen, unzähligen Farbtöpfen und anderen Malutensilien. Langes Aufräumen bleibt da nicht aus und lässt mich den Vorsatz fällen, das nächste Mal ordentlicher zu arbeiten. Doch, wenn mich der kreative Flow erfasst, werden solche Vorsätze schnell über Bord geworfen. Ich kann einfach nicht anders. Doch so chaotisch das Arbeiten auch sein mag, so penibel muss ich den Arbeitsplatz im Anschluss aufräumen. Selbst, wenn das Kunstwerk unvollendet ist, brauche ich die Ordnung innerhalb der Sequenzen. Dann schafft die Ordnung im Außen, die Ordnung im Inneren und öffnet den Blick auf den nächsten Schritt im Schaffensprozess.

"Kunst ist für mich die freieste Form, meinen Lebensweg zu beschreiten" - Sandra Plaar


Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?

Inspiration hole ich mir häufig in der Natur. Strukturen, Formen und besonders Risse faszinieren mich und beflügeln die Anfangsphase. Der Rest folgt der Fantasie, die ein Tor zu meiner inneren Welt öffnet und in der Verbindung dessen, was ist und dem noch nicht Dagewesenen auf die Leinwand fließt.


Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?

Die Titel kommen in der Regel am Schluss, ganz intuitiv. Meist haben sie mit meinem inneren Prozess beim Malen zu tun oder beschreiben ein Gefühl, das ich mit dem Dargestellten verbinde. Manchmal ergeben sie sich aus dem Zusammenhang der verwendeten Farben und ihrer spezifischen Wirkung.

Sandra Plaar im Atelier


Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?

Aktuell arbeite ich an einer Serie unter dem Titel „Transformation“. Unsere Welt befindet sich in einem radikalen Wandel, in der Veränderung unumgänglich, um nicht zu sagen, lebensnotwendig sind. Sinnbildlich wird dieses Thema in der starken Rissbildung meiner neuen Werke aufgenommen. Wenn vermeintlich alles zusammenfällt und zerbricht, bietet sich die Chance, wieder zu einem wunderbaren Ganzen zusammenzuwachsen. Als Kunsttherapeutin weiß ich um die Wirkung und Bedeutung der Farben und setze diese bewusst ein.

Anfang, 80x100 cm


Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?

Ein Traum wäre es, mit einem Kunstwerk an der Art Basel vertreten zu sein. Als Schweizerin wäre das natürlich eine absolute Ehre. Zudem war die Art Basel mein erster Besuch an einer Kunstmesse. Damals begann dieser Wunsch in meinem Herzen zu keimen und das Pflänzlein wächst bis heute. Und klar, ein Bild in einer Galerie in New York auszustellen, wäre auch ganz fein!


Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?

Das Leben hat mich gelehrt, dass das Einzige, worauf wir tatsächlich Einfluss nehmen können, der gegenwärtige Moment ist. Deshalb lebe ich vollkommen im Hier und Jetzt und plane nicht groß im Voraus. Klar habe ich meine Träume und Visionen. Und wenn ich da zu träumen wage, habe ich es geschafft, meine Bilder in namhaften nationalen Galerien zu platzieren und bin über die Landesgrenze hinaus bekannt geworden.

Besuchen Sie jetzt die Website von Sandra Plaar: https://www.sandraplaar.ch

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