Religiöse Fesseln und Selbstentdeckung: Dinah Adam im Interview

Religiöse Fesseln und Selbstentdeckung: Dinah Adam im Interview

Künstlerin Dinah Adam hat eine bemerkenswerte Reise hinter sich, die ebenso inspirierend wie ihre Werke ist. Aufgewachsen in einer Familie von Zeugen Jehovas, war Dinahs Kindheit von strikten Glaubensstrukturen geprägt, die ihren frühen Wunsch nach Selbstentfaltung und Freiheit beschränkten. Doch in ihr keimte ein unbeugsamer Geist, der sie dazu drängte, die Grenzen dieser Welt zu überschreiten und sich auf die Suche nach ihrem wahren Ich zu machen.

Warum haben Sie sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden?

Es ist für mich, als hätte sich der Kreis geschlossen. Bereits vor über 20 Jahren malte ich mit Öl auf größeren Leinwänden, doch ließ ich davon ab. In meinem Kopf schwirrte immer wieder der Satz: brotlose Kunst. Auf meinem Lebensweg ließ ich noch weitere Glaubenssätze los. Durch meine stark religiös geprägte Kindheit, sowie die Banklehre in jungen Jahren, fühlte ich mich im Leben meist wie gefesselt, was andererseits einen großen Drang nach Freiheit in mir entstehen ließ. Mit meinen drei heranwachsenden Kindern, vielfältigen Reisen und der Ausbildung zur Yogalehrerin, kam ich mir Stück für Stück näher. Trotz verschiedener Jobs und zahlreicher Fortbildungen empfand ich aber immer wieder eine Art von Leere und Oberflächlichkeit. Ich wollte bei meiner Arbeit meine Herzenergie fließen lassen können- ich wollte frei, authentisch und selbstständig sein. Mein Weg führte mich zum Studium der integraltherapeutischen Kunstpädagogin. In dieser Zeit erhielt ich einen tieferen Einblick, wie sehr Kunst den Menschen berührt, wie körperliches, emotionales und geistiges Wohlbefinden beeinflusst wird. Die Kunst und das kreative Schaffen nahm wieder Raum in meinem Leben ein. Mit einer bewussten Klarheit stand die Entscheidung fest, ich möchte künstlerisch arbeiten. Mit der Erkenntnis, welche Tiefe die Kunst mit sich bringt, fand ich auch die Qualität in meiner beruflichen Tätigkeit, nach der ich immer suchte. Die Bedeutung von Freiheit, Lebensfreude und Leichtigkeit, war eine Seite, aber die Möglichkeit meine Kunst als Sprachrohr zu nutzen berührte mich noch viel mehr. Jetzt erst hatte ich den Mut, mir den Beruf als Künstlerin zuzugestehen.

"Jedes meiner Werke ist ein Dialog zwischen meiner Vergangenheit und meiner Gegenwart, eine harmonische Symphonie aus Kontrasten, die Mut und Hoffnung widerspiegelt.“

Was inspiriert Sie jeden Tag zu Ihrer Arbeit?

Mein eigener Werdegang und meine Ausrichtung zum Leben inspiriert mich täglich und das ich durch meine Kunst einen weiteren Weg des Ausdrucks gefunden habe, ebenfalls. Ohne aufdringlich zu erscheinen, ermögliche ich es anderen, sich zu bestimmten Themen angesprochen zu fühlen und in den Austausch zu gehen.
Der kreative Prozess ist erst einmal ein stiller Prozess mit mir selbst.
Meine Gedanken können fließen, sich sortieren und Klarheit kann entstehen.
In dieser Auseinandersetzung kann ich mich völlig frei in meiner kreativen Komposition ausdrücken und den Betrachter damit ansprechen und inspirieren.


"Kunst hat mir geholfen, meine Ketten zu sprengen. Mit jedem Pinselstrich möchte ich anderen Mut machen, ihre eigenen Wege zu gehen und ihre Träume zu leben.“

Welche Themen behandeln Sie in Ihrer Kunst und warum ist Ihnen das so wichtig?

Für mich stehen die Themen „Mut“  und „Lebendigkeit“ im Mittelpunkt. Jeder sollte seine Freiheit nutzen, eigene Träume und Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Da ich in einer sehr religiös geprägten Familie aufwuchs, weiß ich um das Gefühlsdilemma von tragenden Entscheidungen. Ein Gefühl von Verlust, Alleinsein und Zerrissenheit entstanden aus dem Wunsch nach Veränderung und der Sicherheit des Gewohnten. Ich habe lange Zeit gebraucht wirklich mutig meinen eigenen Weg zu gehen und Dinge in meinem Leben so zu verändern, um mich glücklich und frei zu fühlen. Aus diesen Erfahrungen heraus entstand eine tiefere Berufung: anderen Menschen zu helfen, den Mut zu finden, im Leben neue Wege zu gehen. Durch meine Kunst reflektiere ich die Lebendigkeit in ihren unterschiedlichen Facetten, wie sie uns im täglichen Leben begegnet. Ich fordere den Betrachter nicht nur zu klarer Entschlossenheit auf, sondern auch zum genauen Hinsehen, Fühlen und Spüren, um ganz im „Hier und Jetzt“ zu sein. Mit dieser Klarheit für sich selbst, kann Mut wachsen und Lebendigkeit gelebt werden.

„Mit der Erkenntnis, welche Tiefe die Kunst mit sich bringt, fand ich auch die Qualität in meiner beruflichen Tätigkeit, nach der ich immer suchte.“


Welcher Aspekt des kreativen Prozesses gefällt Ihnen am besten?

Es ist die Fülle der Möglichkeiten, die mir ein Gefühl von Freiheit verschafft, um darin eine Verbindung zu den unendlichen Möglichkeiten des Lebens zu erhalten. Und die Fokussierung durch den kreativen Prozess, der mir innere Ruhe und Gelassenheit ermöglicht.

Wie würden Sie Ihre Technik beschreiben?

Mein Malstil geht in die Richtung der „gestischen Abstraktion“, bekannt auch als Action Painting. In meiner Arbeitsweise verwende ich dabei unterschiedliche Techniken und bin dabei immer wieder neugierig und auf der Suche nach weiteren. Die Palette der Stile und Techniken ist so vielfältig, das ich mich da nicht festlege. Ich liebe die Herausforderung, diese miteinander zu verbinden, um Themen deutlich herauszuarbeiten und darzustellen. In meinem Kunststil arbeite ich zudem gern mehrschichtig und mit Strukturen, um meinen Werken Lebendigkeit mitzugeben. Faszinierend ist für mich die Parallele zum Menschen. Wir sind ebenfalls mehrschichtig. Verbergen unter unserer Schale unterschiedliche Eigenschaften, die uns als Mensch ausmachen. Erst bei genauem Betrachten werden diese entdeckt und schimmern durch, die oft auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen waren und im Verborgenen auf ihre Entdeckung warten.

Focus120x120

Beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem vorgefassten Konzept oder einer Vorstellung davon, was Sie erreichen möchten, oder ist das Ergebnis unerwartet?

Zu Beginn meiner künstlerischen Tätigkeit stand mehr das Experimentieren im Vordergrund. Ich entschied über Leinwandgröße, Farben und weitere Malmittel. Heute sind es zudem bewusst gesetzte Themen und Botschaften, die mich bewegen und in meiner künstlerischen Arbeit Ausdruck finden. Dazu mache ich mir Gedanken, die ich schriftlich festhalte, um sie in dem kreativen Prozess darzustellen. Das Ergebnis bleibt bis zum Schluss offen.

Wie wissen oder entscheiden Sie, wann ein Kunstwerk fertig ist?

Es ist ein intuitiver Moment, in dem ich die Vollständigkeit des kreativen Prozesses wahrnehme. Durch das thematisierte Arbeiten stehe ich quasi in Kommunikation zu dem Bild. Wie in einem persönlichen Gespräch, gibt es irgendwann einen Moment, in dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Es gibt Werke, die in kürzerer Zeit entstehen und sich komplett und fertig anfühlen, und dann gibt es jene, die mehrere Wochen bis hin zu Monaten brauchen. In dem Fall nehmen mich solche Bilder gedanklich stark ein, lassen mir keine Ruhe, bis ein Augenblick der Klarheit entsteht, was fehlt, um vollendet zu sein.


Aus der Serie „Leichtigkeit des Seins“ mit dem Titel „All I Need“ 100x100

Welche anderen kreativen Menschen, Bücher, Musik oder Filme inspirieren Sie?

Schon früh faszinierten mich alt bekannte Künstler wie Klimt, van Gogh und Monet. Besonders aber Frida Kahlo mit ihrer Stärke und Willenskraft. Ihre Kunstwerke vereinen Leiden und Schönheit, Traditionelles mit Modernität und sprechen mein Innerstes mit diesen Gegensätzen immer wieder an. Im Zuge meiner Aufstellung zur Künstlerin entdeckte ich für mich neu Gerhard Richter und die amerikanische Malerin Jacki Saccoccio. Richter fasziniert mich mit seiner Vielfältigkeit an Kunst, die er in den letzten Jahrzehnten produzierte. Vor allem die Mixtur von sehr unterschiedlichen Techniken denen er sich bediente und miteinander vereinte. Eindrucksvoll schafft er eine Verbindung zwischen Realität von Fotos und deren Wiedergabe in künstlerischer Fantasie, ohne Verlust von Wirkung. Bei Saccoccio liebe ich die leuchtenden Farben auf großen Leinwänden und ihr Können, bewusst Zufälligkeiten in ihren Werken entstehen zu lassen. Sie setzte Reize, hinter die vorderen Farbschicht zu schauen und weitere Details entdecken zu wollen. Ihre Bilder stellen für mich eine Reise ins Innere dar und vermitteln Tiefe. Diese inspirieren mich sehr.

Künstlerin Dinah Adam

Haben Sie bestimmte Rituale oder unverzichtbare Gegenstände im Atelier?


Direkte Rituale habe ich nicht. Es ist dann mehr ein Ankommen, Einfühlen und Vorbereiten der Materialien und Werkzeuge die ich benötige. Wichtig in meinem Atelier sind mein Buddha, meine Musik und die Kaffeemaschine.

Arbeiten Sie mit Beispielen aus dem wirklichen Leben oder basieren Ihre Werke hauptsächlich auf Fantasie?


Es sind Themen des Lebens, die in meiner Fantasie ihren abstrakten Ausdruck finden. Ich denke bewußt an den Titel oder das Thema, das ich mir gestellt habe, um mit dem Gefühl dazu in den kreativen Prozess zu gehen. Stück für Stück arbeite ich Formen aus, die entstanden sind und lasse mich von ihnen leiten.

Wie kommen Sie auf die Titel Ihrer Kunstwerke?

Anfangs überlegte ich mir den Titel, nachdem ich das Kunstwerk fertig gestellt hatte.
Ich betrachtete es eingehend, um zu fühlen, was es mir vermitteln wollte. Heute ist durch die Festsetzung eines Themas oder einer Themenserie zu der ich arbeite, bereits eine Komponente für den Titel vorhanden. Inspiration finde ich vor allem in der Musik, der Literatur, der Natur und einfach auch im Alltag.

„Fucking Pink“ 150x150

Würden Sie uns mehr über Ihr derzeitiges Projekt erzählen - woran arbeiten Sie?

In der Entstehung einer Bildserie, an der ich gerade arbeite, geht es um den einfachsten mentalen Zustand- einfach nur sein. In einer Welt, in der alles zur Verfügung steht, fehlt immer wieder die Leichtigkeit in uns, also die perfekte Mischung zwischen Unbekümmertheit und dem Ernst des Lebens. „Die Leichtigkeit des Seins“, so der Titel meiner Serie, meint damit einen ausgeglichenen Zustand und die Erfüllung von völliger Zufriedenheit, losgelöst von Bedürfnissen, Wünschen, Zwängen, Sorgen und Gedanken. Anhand von Umständen im Leben, Glaubenssätzen, die tief in uns verwurzelt sind, Leistungsdruck, Erwartungshaltungen an uns, Funktionalität und, und, und, wird die Leichtigkeit überdeckt und genommen. In dieser Serie geht es um die Überlagerung dieses anstrebsamen Zustandes. Die Bilder fordern zu einer Selbstreflexion auf: Wodurch hole ich mir meine Leichtigkeit und ist sie mir wichtig? Gewähre ich ihr Platz? Wie groß ist der Anteil an Überlagerung in Form von Stress und Druck im Leben? Das Thema ist unerschöpflich und vielseitig und mit der kreativen Arbeit an diesem Thema entsteht auch in mir ein neues Bewusstsein in der Richtung.

Wo möchten Sie gerne einmal ausstellen und warum?

Mich fasziniert New York und ich liebe diese impulsive Stadt. Dort möchte ich gern in einer der großen Galerien oder in Museen ausstellen. Es ist für mich wie eine Vision, als Künstlerin in den pulsierenden Kreis vielfältiger, großer Künstler mit einzusteigen und wirklich etwas Großes erreicht zu haben.

Wo sehen Sie Ihre Künstlerkarriere in 5 Jahren?

Mein Bekanntheitsgrad als Künstlerin ist gewachsen und hat sich gefestigt. Meine Kunst wird national und international gezeigt und ausgestellt. Ich kann bei einem stetig wachsendem Publikum Themen kommunizieren, Intentionen setzen und Projekte initiieren. Ein wesentlich größeres Atelier ermöglicht mir noch großformatigeres Arbeiten und ich sehe für mich einen weiteren Standort in Spanien, an dem ich meine Kunst entstehen lasse.

Aktuell verfügbare Kunstwerke von Dinah Adam unter:
www.artwerk-dinah.de

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